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Hier finden Sie einen Auszug von "Gibt es den freien Willen?" von Stefan Schmidt, aus Ursache\Wirkung № 125: „Geist & Gehirn".

Willensfreiheit vs. Karma. Warum das kein simples Entweder-oder ist. Antworten aus der buddhistischen Philosophie und der Neurowissenschaft auf eine ewige Menschheitsfrage.

Die Debatte um den freien Willen zieht sich wie ein roter Faden durch die westlich-europäische Philosophiegeschichte. Die Diskussion bewegt sich in einem Spannungsfeld, denn es findet sich ein Widerspruch zwischen dem wissenschaftlichen Weltbild auf der einen Seite und der sozialen Organisation der Gesellschaft und dem persönlichen Erleben auf der anderen Seite.

Die naturwissenschaftlichen Modelle basieren axiomatisch auf Kausalität. Für jedes Ereignis gibt es eine oder mehrere Ursachen und aus diesen kann das Ereignis bzw. die Wirkung vorhergesagt werden. Spinnt man diesen Gedanken konsequent weiter, ist alles vorbestimmt, die Welt läuft ab wie ein Uhrwerk, man spricht von Determinismus. Die Gründe für unsere Handlungen und Entscheidungen sind somit bereits in den physikalischen Abläufen der Welt festgelegt. Ein freier Wille hat in einem solchen wissenschaftlichen Modell keinen Platz.

Auf der anderen Seite ist unsere Gesellschaft aber nach Prinzipien organisiert, die einen freien Willen voraussetzen. Sowohl die soziale Organisation als auch das entsprechende Rechtssystem sind darauf ausgerichtet, dass Menschen für ihre Handlungen verantwortlich sind. Dies deckt sich mit dem persönlichen Erleben. Wir können uns als frei, autonom und selbstbestimmt wahrnehmen.

Diese Sichtweise ist auch für unser Wohlbefinden und für ein gelingendes Leben unabdingbar, denn wenn Menschen kein Kontrollerleben und kein Gefühl der Selbstwirksamkeit haben, werden sie psychisch krank. Der Schriftsteller Isaak B. Singer bringt dies auf den Punkt: „Wir müssen an den freien Willen glauben – wir haben keine Wahl.“ Jahrhundertelang wurde dieses Paradox philosophisch über das Denken verhandelt. Eine Wende ergab sich vor knapp 40 Jahren, als ein empirisches, neurowissenschaftliches Experiment des Psychiaters Benjamin Libet diese Diskussion in ein anderes Feld verlagerte. Libet ließ seine Versuchspersonen zu einem frei gewählten Zeitpunkt einen Knopf drücken und bat sie dann, den genauen Zeitpunkt der Entscheidung für diese Handlung auf einer schnell rotierenden Uhr zu markieren.

Das Gehirn bereitet die Handlung vor

Parallel zeichnete man die Gehirnströme, das EEG, der Personen auf. Das Experiment förderte ein verblüffendes Paradox zutage. Die Versuchspersonen gaben an, ungefähr eine Viertelsekunde vor der Handlung die Entscheidung dazu getroffen zu haben. Im EEG jedoch zeigte sich ein die Handlung vorbereitendes Signal, das sogenannte Bereitschaftspotenzial, bereits ein bis 1,5 Sekunden vor der Bewegung. Offensichtlich bereitete das Gehirn die Handlung schon vor, während die Person selbst noch gar nichts davon wusste.

freien Willen

Der zweite Grund ist, dass eine solche philosophische Debatte keinen Beitrag zur Befreiung vom Leiden leistet. Buddha ging es um erfahrungsbezogene Erkenntnis, die dem Ziel dient, Leiden zu überwinden. Der Buddhismus hat eine lebenspraktische Orientierung. Akademische Diskurse, die sich mit dem Widerspruch von Ideen über die Welt beschäftigen, sind dafür nicht zielführend.

Den ganzen Artikel finden Sie hier:


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung № 125: „Geist & Gehirn"

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Prof. Dr. Stefan Schmidt forscht an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg unter anderem zu den Themen Praxis der Achtsamkeit, Meditation und freier Wille.