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Achtsamkeit & Meditation

Haben Sie dieses Jahr schon ein Retreat gemacht? Für mich gehört es zur Grundlage der buddhistischen Lebensführung, regelmäßig eine Zeit im Schweigen zu verbringen. Anfangs bin ich zu zehntägigen Retreats gefahren, jetzt freue ich mich, vier Wochen lang in die Tiefen der Stille einzutauchen.

Nirgends kann ich mich besser erholen. Und wie sollte ich meinen geistigen Gewohnheitsmustern auf die Spur kommen, wenn ich nicht mit der hohen Sammlung, die sich im Retreat aufbaut, genau hinschauen könnte? Doch trotz aller positiven Erfahrungen ist es jedes Jahr erneut eine Herausforderung, die weltlichen Dinge loszulassen und in die Einfachheit des Retreat-Lebens zu gehen.
Ein Retreat bedeutet Reizfasten. Keine Medienbilder faszinieren die Augen, keine sensationellen Nachrichten nehmen uns gefangen, kein Telefon klingelt, keine Mail verkündet überraschende Neuigkeiten, keine ablenkenden Gespräche finden statt. Wir müssen uns begnügen mit dem reinen Sein. Weil es ungewohnt ist, wehrt sich der Geist dagegen. Unsere Wahrnehmung ist so sehr auf starke Reize ausgerichtet, dass wir erst einmal wieder üben müssen, die leiseren Sinnesreize zu schätzen. Im Retreat gilt es, dem Einfachen Geschmack abzugewinnen.
Ein Retreat ist eine Übung im Verzicht, im Entsagen. Diese Begriffe gehören nicht gerade zu unserem alltäglichen Wortschatz, sie haben für die meisten eher einen unangenehmen Beigeschmack. Aber Verzicht lebt im Herzen der buddhistischen Praxis. Verzicht (auch: Entsagung, Begierdelosigkeit) ist eine der herausragenden Qualitäten, die wir auf dem Weg zur inneren Freiheit zur Blüte bringen. Verzicht bildet das Gegengewicht zum Verlangen, entbindet vom Konsumzwang.

Retreat

Letztlich kommt es gar nicht darauf an, ob wir nun auf unser gewohntes Essen, die perfekte Matratze oder das Zimmer für uns allein verzichten müssen – entscheidend ist unsere Bereitschaft, Verzicht zu üben. Für jeden von uns liegt der Verzicht in einem anderen Bereich. Im Retreat – dem Klosterleben auf Zeit – beschränken wir uns auf das Notwendige und schauen, wie unser Geist sich dieser Begrenzung fügt. Wir erleben die Muster des Aufbegehrens. Wir stellen uns den unangenehmen Gefühlen, die auftauchen, wenn dem Lustprinzip Grenzen gesetzt werden. Die Reibung, die wir in der inneren Auseinandersetzung mit der Einschränkung erfahren, hat einen reinigenden Effekt und bringt Klarheit mit sich.
Buddha sagt, erst wenn wir den Segen des Verzichts mit den Leiden des Verlangens vergleichen können, sind wir motiviert, Verzicht zu üben. So lange wir noch verwickelt sind in all die Furcht und Sorgen, die sich aus dem Habenwollen ableiten, können wir den Frieden der Entsagung nicht erfahren.
Also, auf ins Retreat – es lohnt sich. Der Gewinn, den wir aus der Erfahrung des Verzichts ziehen, entspricht dem Maß an Loslassen, das wir wagen.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 76: „Gier"

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Marie Mannschatz hat mehr als zwei Jahrzehnte in freier Praxis als Gestalt- und Körpertherapeutin gearbeitet. Sie praktiziert Vipassana-Meditation seit 1978 und wurde in den neunziger Jahren von Jack Kornfield zur Lehrerin ausgebildet.Marie Mannschatz lebt in Schleswig-Holstein und lehrt in Europa und USA.

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Marie Mannschatz

Marie Mannschatz

Marie Mannschatz hat mehr als zwei Jahrzehnte in freier Praxis als Gestalt- und Körpertherapeutin gearbeitet. Sie praktiziert Vipassana-Meditation seit 1978 und wurde in den neunziger Jahren von Jack Kornfield zur Lehrerin ausgebildet.Marie Mannschatz lebt in Schleswig-Holstein und lehrt in Europa ...
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