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Achtsamkeit & Meditation

Buddhismus ist ein Sammelbegriff für viele unterschiedliche Traditionen. Ein kleiner Überblick über die bekanntesten Strömungen.

„Buddhismus“ ist ein großes Wort, nicht weil es im Deutschen großgeschrieben wird, sondern weil es eine „große“ Tradition bezeichnet. Auch die vielen sehr unterschiedlichen regionalen „kleineren“ Traditionen sind „Buddhismus“ – etwa die Theravada-Traditionen in Südasien, der Buddhismus Tibets, die chinesischen und japanischen Schulen, wie etwa Jodoshinshu oder Zen, chinesisch Ch‘an. Der Begriff „Buddhismus“ für diese Vielfalt taucht um 1820 in der Encyclopedia Britannica auf. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verwenden japanische Buddhisten „Buddhismus“ erstmals als Oberbegriff für die verschiedenen Traditionen, die heute in Asien, Nord- und Südamerika, Afrika, Europa und Australien vertreten sind.

Die buddhistische Überlieferung glich von Anfang an einem unregulierten Strom mit vielen Nebenarmen.

Es liegt nahe, nach Unterschieden zu suchen, um sich in dieser Vielfalt orientieren zu können. Da ist zunächst die Übungspraxis. In manchen Schulen – wie etwa Theravada und Ch‘an/Zen – geht es um Atem und Körper. In anderen Richtungen – etwa in tibetischen Kontexten oder auch in Reinen-Land-Schulen – werden Mantren rezitiert oder Visualisierungen praktiziert. Verehrung relevanter spiritueller Gestalten kann in allen buddhistischen Richtungen Teil der Praxis sein. Vieles hängt vor allem von der Lehrerin oder dem Lehrer ab – vom Stil dieser Person, von der Tiefe des spirituellen und theoretischen Verständnisses und der Qualität der ethischen Haltung und Ausrichtung.

Betrachtet man die Frage mit Blick auf die Geschichte des Buddhismus, ist als Erstes festzuhalten, dass es von Anfang an viele verschiedene Schulen gab. Meist werden die Pali-Texte als älteste Überlieferung angesehen, da sie im 1. Jahrhundert v. u. Z. in Sri Lanka verfasst wurden. Manuskripte davon gibt es allerdings erst aus dem 8. Jahrhundert, also etwa 900 Jahre später. Der Mahayana-Buddhismus und damit alle anderen Traditionen seien dann später aus diesen zunächst nur mündlich überlieferten Buddha-Reden hervorgegangen. Doch ist es anders. Vor etwa zwanzig Jahren fanden Wissenschaftler in den Archiven des British Museums Stücke von beschriebener Birkenrinde. Die Analyse ergab, dass es sich um die ältesten erhaltenen buddhistischen Manuskripte handelte, verfasst in Kharoṣṭhī, einer Schrift, die in Nordindien und Zentralasien benutzt wurde. Die ältesten Stücke stammten aus dem 3. Jahrhundert v. u. Z. Diese buddhistischen Fragmente aus der griechisch-indischen Gandhara-Kultur enthalten Varianten von Texten, die auch auf Pali überliefert sind, aber auch Mahayana-Texte. Theravada- und Mahayana-Buddhismus haben sich also nebeneinander und zeitgleich entwickelt. Damit ist klar: Die buddhistische Überlieferung glich von Anfang an einem unregulierten Strom mit vielen Nebenarmen und nicht einem Baumstamm, aus dem viele Äste hervorkommen. Die Diversität der Traditionen kann nicht auf eine „auktoriale Einheitsüberlieferung“ zurückgeführt werden.

Die „Zufluchtnahme zu Buddha, Dharma und Sangha“ – also zum Buddha, seiner Lehre und der Gemeinschaft – ist in allen traditionellen Schulen grundlegend. Doch was darunter verstanden wird, ist höchst unterschiedlich. Das Wort „Buddha“, „Erwachter“, ist kein Eigenname, sondern ein Würdetitel. Aus Sicht westlicher Historiker des Buddhismus gibt es den „historischen Buddha“, nämlich Siddharta Gautama vom Stamm der Shakya. Nach dem Pali-Kanon gibt es in jedem Weltzeitalter einen Buddha. Shakyamuni ist der siebte Buddha, und im nächsten Weltzeitalter kommt als achter Buddha Maitreiya. In den Mahayana-Traditionen gibt darüber hinaus viele weitere Buddha-Gestalten, die Eigenschaften des Erwachens, wie etwa Weisheit „Manjusri“ oder Liebe „Amida“, präsentieren. Und schließlich gibt es im Mahayana „Buddhas so zahlreich wie Sandkörner im Ganges“. Ähnliches gilt auch für „Dharma“, die buddhistische Lehre. Manchmal wird darunter die riesige Gesamtheit aller Texte verstanden, die im Laufe der Geschichte durch das Zusammenspiel von meditativer Praxis und Reflexion der Praxis entstanden sind. Dazu gehören sowohl die Pali- wie die Mahayana-Sutren und auch die sehr unterschiedlichen philosophischen Traditionen. Unter „Dharma“ kann aber auch ein überzeitliches Prinzip des „Erwachens“ verstanden werden, oder das sogenannte Gesetz von Ursache und Wirkung („bedingtes Entstehen“). „Sangha“ wiederum kann sich auf die Gemeinschaft der Mönche und Nonnen beziehen, oder auf die Gemeinschaft aller aus Gier, Hass und Verblendung Erwachten, etwa: „Gemeinschaft der Heiligen“, oder aber auf alle, die der Lehre des Buddha folgen oder auch auf die lokale Übungsgruppe.

Buddhismus

Im Theravada-Buddhismus sind meist Mönchstum und monastische Disziplin zentral. Aufgabe der Laien „Haushältern“ ist es, den Mönchssangha zu unterstützen, der auf dem Weg zum „Erwachen“ ist. Obwohl nach den Pali-Texten auch Nichtmönche „Erwachen“ erlangen können, gilt der Mönchsstand als privilegiert. Im Mahayana ist der Laienstand dem der Mönche in diesem Punkt gleichgestellt. Das Ideal des Bodhisattva, „Erleuchtungswesen“, in dem sich Mitgefühl, „karuna“, und Weisheit, „prajna“, verbinden, und dem es um das Erwachen aller Wesen geht, findet sich allerdings schon in den Pali-Texten.

In den Mahayana-Sutren lehrt der Buddha nicht an konkreten Orten wie im Pali-Kanon, sondern in himmlischen Settings. Die Sutren der vollendeten Weisheit, „prajnaparamita“, nennen nicht Nirwana, sondern Shunyata, die Einsicht, dass alles „leer“ ist, als Ziel der Praxis. Andere Sutren betonen die Realisierung von „Buddha-Natur“. Meistens wird der Ch‘an – Buddhismus, der in China ab dem 6. Jahrhundert entsteht – als exemplarisches Beispiel genannt, doch gilt das genauso für andere Mahayana-Richtungen.

Die „Reinen-Land-Schulen“, die heute vor allem in Japan gepflegt werden, entstehen im 1./2. Jahrhundert in Nordindien. Die Praxis bezieht sich auf das Gelübde des Buddha Amida, alle Wesen zu retten. Esoterische Rituale und Praktiken des Tantra entstehen um das 5.oder 6. Jahrhundert in Nordindien. Buddhistischer und hinduistischer Tantrismus gehen von der Entsprechung von Mikro- und Makrokosmos aus. Damit entstehen vielfältige neue Methoden, die manchmal auch schamanische Praktiken aufgreifen. In den tibetischen Traditionen – der Buddhismus etabliert sich in Tibet zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert – sind alle bis dahin existierenden Richtungen integriert, und entsprechend vielfältig sind die Übungsformen. „Esoterischen“, tantrischen Buddhismus gibt es aber auch in China und Japan. 

Der Engagierte oder Angewandte Buddhismus geht auf den vietnamesischen Zen-Meister Thich Nhat Hanh zurück und integriert klassische Übungsformen und soziales Engagement. Der Säkulare Buddhismus will den Pali-Kanon rationalistisch interpretieren und die buddhistische Tradition entmythologisieren. Ähnlich setzt die Achtsamkeitsbewegung buddhistische Praktiken ohne Kontext als „Tools“ in Segmenten der modernen Gesellschaft, wie etwa Schule, Psychotherapie oder Militär, ein.

Wichtiger als die Schulzugehörigkeit ist in der Praxis oft die Person der Lehrerin, des Lehrers. Und am Ende geht es nicht um Schulen, sondern um den „Geschmack des Erwachens“.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 121: „Mit allen Sinnen"

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Illustration ©Francesco Ciccolella
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Dr. Ursula Baatz

Dr. Ursula Baatz

Dr. Ursula Baatz, geboren 1951, ist Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher.
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