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Achtsamkeit & Meditation

Resilienz gibt es auf der gesunden Ego-Ebene, die in der Psychotherapie gestärkt wird, und auf der spirituellen Ebene jenseits des Egos. Der Autor verbindet beide – für Widerstandskraft und ein erfülltes Leben.

Von Zeit zu Zeit kommen unterschiedliche Themen oder Begriffe in Mode. Das seit Jahren aktuelle Thema Resilienz gehört eindeutig nicht dazu, denn es ist kein Trendbegriff. Dafür hat es eine zu tiefe Bedeutung für das menschliche Wohlergehen.

Was ist Resilienz? Der Begriff stammt aus der Entwicklungspsychologie. Nachdem häufig beobachtet wurde, dass Entwicklungsrisiken nicht immer zu negativen Konsequenzen führen, geriet das einfache monokausale Konzept von Ursache und Wirkung ins Wanken. Nicht jede schlechte Erfahrung muss zu traumatischen Störungen führen.

Resilienz fragt, wie wir mit dem Leben umgehen. Es fragt uns nach den menschlichen Fähigkeiten und damit nach der Selbstverantwortung, den Fähigkeiten, sich selbst zu steuern und zu schützen.

Diese Begriffe beziehen sich auf verschiedene Ich- oder Ego-Leistungen, und darauf basiert die westliche Psychologie. Diese erforscht und behandelt die Stärken und Schwächen auf der Ego-Ebene. Sie verdeutlicht, wie der Verstand arbeitet und wie Störungen auf dieser Ebene zu verstehen sind.

Die buddhistische Lehre und Praxis beziehen sich dagegen auf eine Vorstellung von Psyche jenseits der Ego- und Verstandesstrukturen. Sie fokussiert Erfahrungen, die entstehen, wenn der Verstand und die Ego-Impulse zur Ruhe gebracht sind. Beide Ebenen sind für ein erfülltes Leben bedeutsam und notwendig, um etwa Resilienz zu gewährleisten. Die buddhistische Psychotherapie (BPT®) ist eine der wenigen Methoden, die beide Ebenen berücksichtigt.

Auf der Ebene der westlichen Psychologie werden die frühen Bindungserfahrungen und die vorhanden Beziehungsobjekte (Eltern) betrachtet, die sich als Halt gebende Strukturen internalisieren. Äußerer Halt ergibt inneren Halt.

Zudem ist es notwendig, zu erkennen, welche Ego-Anteile destruktiv und welche heilsam wirken. Der innere Antreiber, gekoppelt mit dem inneren Süchtigen, dem inneren Unzufriedenen, dem inneren Saboteur oder dem inneren Faulenzer, erhöht das Krankheitsrisiko, während heilsame innere Ego-Anteile wie der innere Weise, das Vernunftego, der innere Achtsame, der innere Berater, der innere Sportler oder der innere Arzt die Resilienz steigern.

Die buddhistische Lehre fokussiert Erfahrungen, die jenseits der Ego-Impulse liegen.

Das klingt womöglich ungewohnt, wenn nicht über die feste Persönlichkeit, den festen Charakter, das stabile Ego, sondern stattdessen über dynamische Ego-Anteile oder Ego-Strukturen gesprochen wird. Tatsächlich ist neurowissenschaftlich längst bewiesen, was die buddhistische Lehre seit 2.500 Jahren vermittelt: Es gibt kein festes Ego.

Leben

Die buddhistische Lehre fokussiert Erfahrungen, die jenseits der Ego-Impulse liegen. Der gesunde Menschenverstand wird hier eher als Mittel genutzt, um tiefere Ebenen der Psyche zu erreichen. So können Menschen in vertieften Meditationen lernen, ihr Ego loszulassen. Sie machen dann entsprechende Erfahrungen, wenn ihre Ego-Impulse ruhen.

Dennoch lässt die buddhistische Lehre die Ausgangssituation, also den Istzustand der Persönlichkeit, nicht außen vor. In der Lehrrede vom Tuch fragt der Buddha: „Wenn man ein fleckiges, verschmutztes Tuch hat und dieses einfärbt, wie könnte das Ergebnis aussehen? Wenn man ein sauberes Tuch hat, frei von Verunreinigungen, und dieses einfärbt, wie könnte dann das Ergebnis aussehen?“

Dieses Gleichnis verdeutlicht die Relevanz unserer Ausgangssituation, gewissermaßen den Zustand der Persönlichkeit. Nicht wenige Menschen spüren ihre Defizite und versuchen, sie mit spirituellen Techniken zu überwinden. Das würde bedeuten, ein fleckiges Tuch einfärben zu wollen. Aber es ist nicht möglich, mit spirituellen Übungen einfach die Persönlichkeit einzufärben. Das hätte immer Konsequenzen. Der Hintergrund dieser Überlegungen basiert auf der Vorstellung, dass ein „gut gefärbtes Tuch“ resilienter sei als ein fleckiges und nicht gut gefärbtes.

Betrachten wir einmal, wie wir gegen „Flecken“ vorgehen können. Hier gibt es mehrere Herangehensweisen: Es ist lohnenswert, die „befleckten“ Ego-Anteile zu identifizieren, etwa den inneren Selbstsaboteur, den inneren Schweinehund, den inneren Depressiven, das Schmerzego, den inneren Angsthasen, den inneren Kampfhund, um nur einige wenige zu nennen. Solche Anteile wirken sich äußerst destruktiv aus und sollten individuell identifiziert werden, sodass sie nicht mehr unbeaufsichtigt im Untergrund wirken können.

Die Übung der Achtsamkeit bedeutet nicht, zu versuchen, solche Elemente auszulöschen, sondern sie zu beobachten und bewusst mit ihnen umzugehen lernen. Das sind direkte Inhalte der positiven Psychologie und der Persönlichkeitsentfaltung. Eine stabile Persönlichkeit ist die Grundvoraussetzung für eine stabile Resilienz und für die Vertiefung des spirituellen Wegs.

Die buddhistische Lehre kennt noch weitere bedeutsame „Flecken“, die sogenannten drei Geistesgifte, die ich Unbewusstheit, Anhaftung und Widerstand nenne. Diese in uns wirkenden Kräfte werden in der wohl zentralsten buddhistischen Lehre, den vier Edlen Wahrheiten, beschrieben.

Es ist natürlich sehr spannend, zu lesen, dass 2.600 Jahre vor Sigmund Freud die buddhistische Lehre davon berichtete, dass Menschen leiden, weil sie diese große Neigung zum Unbewussten haben, dass sie ständig anhaften, sich identifizieren möchten und bedürftig sind. Dies besagt die zweite Edle Wahrheit der buddhistischen Lehre. Sie sagt aus, dass als Unbewusstheit eine Vielzahl von Denk- und Verhaltensweisen verstanden werden können: Es geht darum, nicht mehr bewusst auf eine Situation zu reagieren, sondern auf der Basis nicht bewusster, gelernter, verinnerlichter Muster. Gewohnheitsmuster sind hier ein Beispiel, ein Leben auf Autopilot ist eine Folge. Die Anhaftungen entstehen auch durch diese Muster, sie erzeugen Bedürfnisse und unreflektierte Begehrlichkeiten. Widerstand entsteht, wenn diese Muster bedroht werden. Dazu kommen die endlosen Abneigungen oder Abwertungen. Die Beschäftigung mit den sogenannten vier edlen Wahrheiten ist also überaus lohnenswert und dient seit vielen Jahrhunderten der kognitiven und spirituellen Weiterentwicklung.

Da die mentale Stabilisierung eine grundlegende Quelle für Resilienz darstellt, ist es unumgänglich, dass wir uns als Gegenpol zum Unbewussten um Achtsamkeit und Bewusstheit bemühen, als Gegenpol zur Anhaftung um eine losgelöste Grundhaltung und als Gegenpol zu den Widerständen um Entspannung und Güte.

Vom Dalai Lama stammt das folgende Zitat: „Ein Gebet kann für den Einzelnen ein großer Trost sein. Aber wenn wir die Welt verändern wollen, dann müssen wir handeln.“ Wer seinen Handlungsrahmen also einmal etwas erweitert, kann seine individuelle Resilienz stärken, im nächsten Schritt vielleicht auch die familiäre Resilienz und schließlich auch zur gesellschaftlichen und globalen Resilienz beitragen. Es liegt in unserer Verantwortung, heilsam zu handeln – für uns, für andere und für die Welt, in der wir leben.

Buddha regte Handlungen an, die als die fünf Regeln für Laien bekannt sind. Diese Anregungen sind allerdings nicht als Regeln entstanden, sondern als Erfahrungswerte. Wer diese Erfahrungen macht, hat eine große Chance, innere Stärke, Resilienz und spirituelle Vertiefung zu erleben.

Die erste Anregung bedeutet, negativ formuliert, nicht zu töten; positiv gewendet, heißt es, achtsam zu leben und Leben zu bewahren. Die zweite Anregung beinhaltet, nichts zu nehmen, das uns nicht gegeben wurde, und achtsam zu handeln. Die dritte Anregung heißt, sexuelles Fehlverhalten zu unterlassen und achtsam in allen Beziehungen zu sein. Die vierte Anregung bedeutet, nicht zu lügen und sich um achtsames Reden zu bemühen. Die fünfte Anregung umfasst, keine Substanzen zu konsumieren, die den Geist eintrüben, und sich achtsam zu ernähren und achtsam zu konsumieren.

Wer mag, kann die eine oder andere Anregung als eine Einladung zum Selbstversuch annehmen und zumindest anfangs darauf vertrauen, dass es diesbezüglich gute Erfahrungswerte gibt. Schon nach kurzer Zeit wird man am eigenen Leib spüren, wie heilsam sich die Auswirkungen anfühlen.

Die Kombination aus Geistestraining und angenehmer körperlicher Betätigung wird die Resilienz sicher steigern und die Wahrscheinlichkeit für ein gesundes und glückliches Leben deutlich erhöhen.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 122: „Resilienz"

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Dr. Matthias Ennenbach

Dr. Matthias Ennenbach

Dr. Matthias Ennenbach ist Dipl.-Psychologe/appr. Psychotherapeut, Leiter des Zentrums für Buddhistische Psychotherapie, Ausbilder Buddhistische Psychotherapie BPT® und AusbilderAchtsamkeitstrainer ASST ®www.Info-BPT.de
Kommentare  
# Julia Schneider 2024-04-23 08:53
Ein beeindruckender Artikel! Resilienz ist wirklich wichtig für ein erfülltes Leben.
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# Gerd 2024-04-23 08:54
Wow, dieser Text hat mir wirklich die Augen geöffnet! Resilienz ist so viel mehr als nur ein Trendbegriff. Ich finde es faszinierend, wie der Autor die Verbindung zwischen der westlichen Psychologie und der buddhistischen Lehre herstellt. Die Idee, dass es kein festes Ego gibt und dass wir durch Achtsamkeit und Bewusstheit unsere Resilienz stärken können, ist wirklich inspirierend. Besonders interessant fand ich die Erklärung der fünf Regeln für Laien, die eine praktische Anleitung für ein erfülltes Leben bieten. Dieser Text hat mir nicht nur neue Perspektiven eröffnet, sondern auch konkrete Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, wie ich meine Resilienz verbessern kann. Vielen Dank dafür!
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# Simon Meier 2024-04-23 08:55
Interessanter Ansatz! Die Verbindung zwischen westlicher Psychologie und buddhistischer Lehre ist spannend.
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