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Auch sie sind in großer Sorge, leiden unter dem Verlust von Hab und Gut, von sicherem Einkommen, zum Beispiel durch den Verkauf von Bananen, wissen nicht, wie es weitergeht.

Ob wir die Erde personifizieren oder nicht: Wir sind komplett von ihr abhängig, können sie nicht kontrollieren, und das macht uns Angst. Ehrfurcht und Demut wären gesunde Haltungen, um der Kraft der Erde zu begegnen. Man könnte wieder üben, ihren Botschaften zuzuhören, wie es unsere Vorfahren, die das Land bearbeiteten oder auf Wasser und Land reisten, immer tun mussten. Auch wenn Beton und Plastik unzerstörbar scheinen, immer verfügbares Licht und Heizungen uns verwöhnen – sicher ist nichts. Und Geld kann man nicht essen, sagt ein italienisches Sprichwort.

Solche tiefe, existenzielle Angst: Wir müssen lernen, sie wahrzunehmen als solche und mit ihr leben lernen. Sie geht über die übliche, meist völlig verdrängte Angst vor dem Tod hinaus. Sterben zu müssen und nicht zu wissen, wann und wie, ist schon eine Zumutung, die uns überfordert. Aber auch noch heimgesucht zu werden, ein aus der Mode gekommenes Wort! Das gemahnt uns an unaussprechliche Gewalt, der wir nicht entrinnen können, von innen kommende durch Schuldgefühle, reale Schuld, qualvolle Erinnerungen, aber nun auch durch Überflutungen naher Flüsse oder von Seen und Ozeanen. Durch Vulkanausbrüche, Erdbeben, Dürrezeiten, die wir in unseren Breiten nur aus der Bibel oder vom Fernsehen kennen, Heuschreckenplagen und nun dieser Virus, der gar nicht neu in seiner grundsätzlichen Erscheinung ist, nur dass wir uns für immun gegenüber solchen Zumutungen hielten. Je besser es uns ging, äußerlich und auch medizinisch gesprochen, innerlich, desto sicherer fühlten wir uns und planten Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Arbeitsende, Witwenrente, Sterbegeld, Auszahlungen von Lebensversicherungen und Segnungen preiswerter Arztbesuche im Ausland ein. Während Polinnen, Russinnen, Bosnierinnen unsere Eltern und Großeltern oder Freunde von uns pflegen und alle Vierteljahre nach Hause dürfen. Während Menschen aus noch ärmeren Ländern wie Rumänien, Bulgarien z. B. als Erntehelfer und in Schlachthöfen eingesetzt werden, wächst die nächste Unterschicht von Illegalen heran, Überlebenden von Flucht und Elend, noch niedrigere Dienste zu übernehmen, zwischen soldatischen Einsätzen und Waffenhandel, Verkauf ihrer Körper und Seelen, Organhandel und Prostitution. Fast kostenfrei wird auf großen Plantagen von Monokulturen gearbeitet, um auf diese Weise das nackte Überleben von den Bewohnern großer Landstriche zu sichern, aber auch den Durst nach Exotik, Exzentrizität, Luxus der Einwohner von Ländern, die eher Essen wegwerfen als zu hungern und die sich sonnengereifte Genüsse am brennenden Ofen oder nach dem Skilaufen gönnen.

La Palma

Was hat das mit La Palma zu tun und mit dem Zittern und Beben der Erde? Alles ist miteinander verbunden, wir lernen langsam oder mit Gewalt und Schock. Klimakrise und die Pandemie, Todesangst und generelle oder aktuelle Angst vor der Zukunft müssen zusammen gedacht werden. Und zwar nicht, indem wir uns gegenseitig herabwürdigen, höhnisch lächelnd über ein solches Ausmaß an Unvernunft. Nein, es gilt, dem anderen, auch dem modernen Sklavenarbeiter, der radebrechenden Polin, dem mit Brillanten behängten Lebemenschen mit Offenheit und Respekt zu begegnen. Eine Touristeninsel wie La Palma können wir nur retten helfen, indem wir sie alle an einen Tisch bringen: Gerade am Beispiel von Inseln lässt sich so gut zeigen, was vonnöten ist. Alle, mitsamt den Wildtieren und denen, die uns mit Fleisch und Milch und Käse versorgen, werden vom Feuer und Lavastrom unterschiedslos vertilgt, mitsamt den Touristen. Wenn dies nicht eintritt, dann müssen doch alle sterben, ob an COVID, Herzinfarkt, Altersschwäche oder auf dem Meer.

Ich wünschte mir, dass wir die Toten wieder sehen. Niemals sehe ich im Fernsehen, außer in Literaturverfilmungen, Kriegsfilmen und Krimis, Tote und deren Angehörige. Im Krankenhaus, zu Hause, Wache sitzend, mit und ohne Pfarrerin, ich sehe keine weinenden Angehörigen und Kinder, keine Leichenwagen, keine Beerdigungen aus der Jetztzeit. Jeden Tag dürften ein paar Menschen in meinem Stadtteil sterben, oder sagen wir, in meiner kleinen Stadt. Wieso erfahren wir von ihnen nicht zeitnah? Wieso wird nicht diskutiert, wie die Toten angemessen begleitet werden können. Es wird ja wohl möglich sein, mit Maske und Abstand, aber vor allem mit Anstand, Abschied zu nehmen!

Was ist los mit unserer Trauerkultur? Wieso wird das alles, was den Hype auslöst in den Medien, welche Art von Maßnahmen nun wieder ergriffen werden müssen, wird das alles verschwiegen?
Es ist ungesund, und es ist seelisch kalt. Wir sollten wirklich einander begleiten, in Angst und Not, im Sterben, und den Angehörigen helfen in ihrer Verzweiflung und Trauer. Darüber spricht keiner im Fernsehen. Es würde Kinder und Jugendliche erleichtern, wenn sie den tieferen Sinn sehen könnten, der weit über Selbstschutz und Schutz vor Ansteckung hinausgeht. Dass wir als Menschen verwundbar sind, berührbar. Dass wir beginnen, etwas zu begreifen, das uns früher nur die Priester, Pfarrerinnen und die Weisen sagten: Lasst uns endlich Menschen werden und JEDEN Menschen, natürlich auch Tiere!, rumänisch, syrisch, hawaiianisch, amerikanisch, kongolesisch, arm oder reich mit gleichem Anstand behandeln. Dazu würde gehören, dass sehr wichtige Informationen in vielfältigen Sprachen wiedergegeben werden, auch im Fernsehen, auch im Radio. Das wird ja wohl möglich sein, wenn es um Leben und Tod geht, am Ende der Tagesschau die allerwichtigsten Nachrichten in den wesentlich vorhandenen Sprachen zu wiederholen. Das Gleiche gilt für Apotheken, Arztpraxen, Rathäuser, Gotteshäuser, Polizeidienststellen, Beratungsdienste (da kann man sich das abgucken, zum Beispiel im Haus Mondial oder bei Migrapolis). Wir brauchen uns sonst nicht zu wundern, wieso bestimmte Nachrichten nicht alle Menschen erreichen, und später wird gelästert über große Familienfeste.

Kinder gucken sich Verhalten ab, anständiges und korruptes. Wenn wir wirklich für die Generationen nach uns etwas tun wollen, etwas, bei dem wir uns riskieren (denn Veränderung geht nur so), dann glaube ich fest, dass wir einander anstiften müssen zum Gutsein. Jetzt.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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