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Manchmal kommt es knüppeldick und meist sowieso dann, wenn man es nicht gebrauchen kann. Umgehen muss man damit allemal.

Im Grunde könnte ich es mir in dieser Woche leicht machen und darüber schreiben, wie es sich anfühlt, gleich zwei Familienmitglieder innerhalb weniger Tage zu verlieren. Doch dort, wo ich geboren wurde, heißt es – und ich weiß noch nicht einmal, wie man das richtig schreibt -: „Mir sein's g'frett'n g'wohnt.“ Heißt so viel wie „Wir sind es gewohnt, dass es schwer geht.“ Hat schon oft geholfen, wenn die Leichtigkeit eine Tonne gewogen hat.

In Momenten des Verlusts sieht man hauptsächlich die Lücken. Das ist vergleichbar mit einem Meteoriteneinschlag, wo man meist auch nur den Krater sieht, also das Loch, das der Himmelskörper in die Erde geschlagen hat. Und wer jemals einen solchen Ort besucht hat, wird vielleicht den Rand entlanggegangen sein, nach unten geblickt und den Meteoriten gesucht haben. Doch da können wir Menschen der heutigen Zeit lange schauen, denn über die geballte Ladung Sternenstaub ist buchstäblich Gras gewachsen. Aber auch Bäume wie beispielsweise Eschen und Ulmen in einem estnischen Krater. Oder Eukalyptus und Myrthen in den Spuren eines Meteoriten, der australischen Boden getroffen hat. Es gibt also ein Morgen.

Das Interessante daran ist: Das gibt es immer. Täglich grüßt das Murmeltier – in meinem Fall die Katze – durch die Gartentür in meinem Schlafzimmer. Täglich gibt es Wetter, wenn auch in unterschiedlicher Ausformung. Täglich braucht unser Körper Energie, damit er trotz allem funktionieren kann. In lückenhaften Zeiten sind Routinen Gold wert. Oder noch besser: Rituale. Und diese Rituale feiern ja gerade Hoch-Zeit. Am 1. Dezember wird das erste Türchen im Adventskalender geöffnet, am 4. Dezember der Barbara-Zweig eingewässert, am 6. Dezember Nikolaus begangen. In meinem Fall schickt meine Mutter immer ein Packerl mit hoch originellen Nikolausausformungen. Der Höhepunkt heuer: zwei LED-Teelichter als Nikolausgesichter, und ja, die Nasen flackern. Am ersten Adventssonntag wird der Kranz eingeweiht, und man macht sich schon einmal auf die Suche nach einem Christbaum. Die Vorweihnachtszeit ist also gerade prädestiniert für Lücken. Denn hätte man sie nicht, geriete man gefährlich in die Nähe eines Burn-outs – und nein, ich spreche nicht von einem Zimmerbrand.

Rituale

Routinen und Rituale fangen einen auf, wenn das Leben gerade mal wieder bröckelt. Und wenn es außerhalb der Weihnachtszeit ungemütlich wird, gibt es noch andere Gewohnheiten, die einen aufrechthalten. Von Aufräumen bis Zähneputzen reicht der Bogen, auf den man in umstürzlerischen Zeiten vielleicht keine Lust hat, der aber gespannt werden will. Eines will ich damit allerdings nicht sagen: dass wir Trauer verdrängen sollen. Sie braucht Raum, sie braucht Tränen, sie braucht Zeit. Vor einigen Jahren habe ich gelesen, dass trauernden Menschen laut der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung nur mehr vierzehn Tage zugewiesen werden, bevor sie als gestört gelten. Ein absolutes Unding! Trauer ist etwas Höchstpersönliches, die jeder Mensch in seiner eigenen Geschwindigkeit durchlaufen muss. Und darf. Alles andere ist inhuman. Punkt.

Ich lasse mir auf jeden Fall nicht vorschreiben, wie viele Liter ich weine oder wann ich zu Hause bleibe, weil ich traurig bin. Doch dass ich eine Kandidatin für chronische Anpassungsstörungen bin, weiß ich schon länger. Umso wurschter ist es mir, was die amerikanischen Psychiater sagen. Und das sollte auch für alle anderen gelten, die gerade vor einem Krater in ihrem Leben stehen. Bei mir ist schon die zweite Phase der Trauer eingetreten, ich bin schon wieder leicht rabiat. Es besteht also Hoffnung. Wie immer.

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Bilder  ©  Pixabay  

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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