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Wäre es nicht besser für die Welt, wenn wir uns alle vegan ernähren würden?

„Die Reduzierung oder Eliminierung der Tierhaltung sollte ganz oben auf der Liste möglicher Klimalösungen stehen.“1 Dem ehemaligen Professor für Biochemie Patrick Brown, selbst Veganer, ist es mit seiner Aussage sehr ernst. 2011 gründete er die Firma Impossible Foods, die Fleisch- und Milchersatzprodukte aus pflanzlichen Rohstoffen entwickelt. Laut Brown hat Impossible Foods den molekularen Code für Fleischgeschmack geknackt und möchte bis 2035 alle Tiere als Nahrungsquelle vollständig ersetzen.2

Veganer können nicht mehr als idealistische Spinner abgetan werden. Studien zeigen deutlich, dass der radikale Verzicht auf Tierprodukte einen nachhaltigen Effekt auf den Klimawandel hätte. Würde die Tierhaltung für die nächsten 15 Jahre eingestellt, dann würden die Treibhausgase sich zumindest für die nächsten 30 Jahre stabilisieren, und rund 68 Prozent der momentanen Kohlendioxidemissionen könnten bis zum Ende dieses Jahrhunderts ausgeglichen sein, so eine Studie der Stanford Universität in Kooperation mit der Universität von Kalifornien in Berkeley.3 Das Umweltbundesamt gibt bekannt: Eine vegane Ernährung produziert rund 40 Prozent weniger CO₂-Emissionen. Ein Veganer oder eine Veganerin emittiert also im Vergleich zu jemandem, der auch Fleisch, Milch und Käse isst, 610 Kilogramm weniger Kohlendioxid pro Jahr.4

Ein weiterer Pluspunkt für eine vegane Ernährung, man höre und staune, Veganismus ist gesünder als sein Ruf. Wie oft hört man: „Vegan? Das ist doch ungesund.“ Doch Zivilisationskrankheiten und Übergewicht kommen bei Veganern seltener vor. Eine Studie des National Cancer Institutes in Bethesda gibt neun Krankheiten an, die mit Fleischverzehr in Verbindung stehen: Krebs, Herzkrankheiten, Atemwegserkrankungen, Schlaganfall, Diabetes Typ 2, Infektionen, Alzheimer, Nierenerkrankungen und chronische Lebererkrankungen. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt hier aber auch, dass Veganer einen gesünderen Lebensstil pflegen (mehr Bewegung, Verzicht auf Nikotin und Alkohol).5

Hierzu einige Fakten des Umweltbundesamts über das durchschnittliche Essverhalten der Bevölkerung und seine Auswirkung auf das Klima: „Das globale Ernährungssystem ist weder gesund noch nachhaltig. Die Lebensmittelproduktion ist ein wesentlicher Triebfaktor des Klimawandels und der Nutzung natürlicher Ressourcen. Gleichzeitig ist ungesunde Ernährung ein Hauptrisikofaktor für chronische Krankheiten und vorzeitige Todesfälle. Es wird damit gerechnet, dass es ohne Änderungen hin zu gesünderen und nachhaltigeren Ernährungsmustern kaum eine Chance gibt, gefährliche Ausmaße des Klimawandels zu vermeiden und innerhalb der onkologischen Belastbarkeitsgrenzen des Ernährungssystems in Bezug auf Land, Wasser und Düngemittelverbrauch zu bleiben.

Ohne konzentrierte Maßnahmen könnten die Umweltbelastungen des Ernährungssystems so zunehmen, dass sie die essenziellen planetaren Grenzen überschreiten würden, die einen sicheren Handlungsraum für die Menschheit definieren, und jenseits dessen die lebenswichtigen Ökosysteme der Erde instabil werden könnten.

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Gleichzeitig ist die Ernährung in vielen Teilen der Welt ungesund. Eine unausgewogene Ernährung, wie z.B. eine Ernährung mit wenig Obst, Gemüse, Nüssen und Vollkornprodukten und einem hohen Anteil an rotem und verarbeitetem Fleisch, ist weltweit und in den meisten Regionen ein Hauptrisikofaktor für vorzeitige Sterblichkeit. Neben unausgewogener Ernährung gibt es weitere Formen der Mangelernährung: Etwa zwei Milliarden Menschen sind übergewichtig und fettleibig, zwei Milliarden leiden an Mangelernährung, während etwa 800 Millionen aufgrund von Armut und schlecht ausgebauten Ernährungssystemen noch immer an Hunger leiden. Da in vielen Regionen der Welt die Ernährungsveränderung hin zu stärker verarbeiteten Produkten voranschreitet, wird erwartet, dass sich viele dieser ernährungsbedingten Gesundheitsrisiken verschärfen werden.
Die Ernährungsgewohnheiten in Deutschland haben erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt. [Analysen zeigen], dass die deutsche Lebensmittelnachfrage im Jahr 2010 für Treibhausgasemissionen von etwa 60 Millionen Megatonnen Kohlendioxidäquivalente (MtCO2eq) in Form von Methan und Lachgas verantwortlich war, Ackerlandnutzung von 90.000 Quadratkilometer (km2), Süßwasserressourcen von 1 Kubikkilometer (km3) aus Oberflächen- und Grundwasser, und Düngemittelanwendung von 1 Billion Tera-Gramm (TgN) Stickstoff und 130 Milliarden (Giga) Gramm Phosphor (GgP). Ohne gezielte Minderungsmaßnahmen werden diese Umweltauswirkungen der deutschen Ernährung zwischen 2010 und 2050 um 6 bis 25% steigen, insbesondere aufgrund von einkommensbedingten Veränderungen der Lebensmittelnachfrage, wie z.B. einem Anstieg des Geflügel- und Milchkonsums und einem stabilen Konsum von rotem Fleisch. Diese Folgenabschätzung ist konservativ und bezieht beispielsweise nicht lebensmittelbedingte Kohlendioxidemissionen, z.B. aus Landnutzungsänderungen und Energieverbrauch, mit ein. Eine Berücksichtigung dieser würde die Umweltauswirkungen der deutschen Lebensmittelnachfrage weiter erhöhen.

Um umweltverträglich (und gesund) zu sein, müsste die Ernährung in Deutschland deutlich pflanzenbasierter werden. [Weitere Analyse zeigen], dass im Vergleich zu einem Ernährungsmuster, das auf globaler Ebene gesund und umweltverträglich ist (die von der EAT-Lancet Commission on Healthy Diets from Sustainable Food Systems entwickelte Planetary Health Diet), die deutsche Ernährung mehr als achtmal zu viel rotes Fleisch (einschließlich Rind, Lamm und Schwein), fast dreimal zu viel Milchprodukte und Zucker sowie 38% zu wenig Obst und Gemüse, 30% zu wenig Vollkornprodukte, 67% zu wenig Nüsse und 95% zu wenig Hülsenfrüchte enthält. Für eine gesunde und nachhaltige Ernährung müsste der Konsum von rotem Fleisch um 88% und der Konsum von Milchprodukten um 62% reduziert werden, während der Konsum von Obst und Gemüse um 62% steigen müsste.“6

Nach Christoph Klotter, Professor für Ernährungspsychologie, leben wir seit 200 Jahren im Schlaraffenland. Dies sei alles andere als selbstverständlich, denn die Geschichte der Mensch-heit ist ein Kampf gegen Hunger.7 Essen und Essverhalten haben sich drastisch verändert. Was einst dem Überleben diente, ist heute stark psychologisch eingefärbt. Auf der einen Seite leben wir wie die Maden im Speck, essen weniger aus Hunger als aus Genuss oder Frust, neigen zu Fastfood und nehmen uns kaum Zeit zum Essen. Auf der anderen Seite ist Essen zu einer Ideologie geworden. Gesundheit, Fitness, bewusstes Leben sind Trendthemen, Bio, Slow-Food und enkeltauglich sind keine Fremdwörter mehr. Klotter erklärt: Früher hieß es: Du bist das, was du isst. Heute identifiziert man sich mit dem, was man nicht isst. Vor 100 Jahren definierte man sich über die Zugehörigkeit zu einer Partei, heute ist man Veganer oder Veganerin.8 „Das Mittagessen, das über soziale Netzwerke geteilt wird, wird zum Statussymbol.“9

Veganismus, einhergehend mit einer bewussten und nachhaltigen Haltung, ist auf jeden Fall zu befürworten. Doch zählen Taten mehr als Worte. Allerdings sollte Absolutismus vermieden werden. Durch verhärtete Fronten entsteht keine Eine Welt, sondern neue Probleme stellen sich ein. Der Verzicht auf tierische Lebensmittel allein wird die Welt nicht retten. Achtsamkeit braucht mehr. Veganer*innen, die zum Beispiel wegen Yoga- oder Meditationsreteats in der Welt herumfliegen, schnell mal mit dem Auto in die Berge fahren oder regelmäßig Ananas und Avocados aus fernen Ländern konsumieren, tragen nicht zu einer besseren Klimabilanz bei. Der Wandel, den wir benötigen, liegt im Herzen der Menschen und nicht in unseren Köpfen. Mit Härte, Rechthaberei und Ideologien wird nichts gewonnen. Die Gesundheit unserer Welt hängt von der Gesundheit unseres Geistes ab. Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein – ein gesunder Geist ernährt sich vom Licht der Einheit.

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Bilder Teaser und Text© Pexel
Bild Header © Sigurd Döppel 


 

[1] Interview mit Patrick Brown auf Welt.de in Februar 2020 (https://www.welt.de/kmpkt/article236724747/Vegane-Ernaehrung-Das-bringt-der-Verzicht-auf-Tierprodukte-dem-Planeten-wirklich.html, 6.Juli 2023)
[2] Vgl. Impossible Foods in Vegconomist am 8. April 2020 (https://vegconomist.de/unternehmen-und-portraits/pat-brown-ceo-von-impossible-foods-will-tiere-als-nahrungsquelle-bis-2035-komplett-ersetzen/)
[3] Vgl. Interview mit Patrick Brown auf Welt.de in Februar 2020 (https://www.welt.de/kmpkt/article236724747/Vegane-Ernaehrung-Das-bringt-der-Verzicht-auf-Tierprodukte-dem-Planeten-wirklich.html, 6.Juli 2023)
[4] Vgl. Wie vegane Ernährung den Klimawandel beeinflusst auf Vattenfall.de (https://www.vattenfall.de/infowelt-energie/klimawandel-vegane-ernaehrung#:~:text=Vegane%20Ernährung%20reduziert%20Klimagase,Kilogramm%20weniger%20Kohlendioxid%20pro%20Jahr, 6. Juli 2023)
[5] Vgl. Wie gesund ist vegane Ernährung? Auf Barmer.de (https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/leben/ernaehrung/wie-gesund-ist-vegane-ernaehrung-1072170, 6.Juli 2023)
[6]  Marco Springmann in Towards healthy and sustainable diets in Germany, veröffentlich durch das Umweltbundesamt Mai 2023, 15./16.
[7] Vgl.  Im Wandel der Zeit – so ändert sich unsere Ernährung auf mpulse.de (https://www.mpulse.de/de/grenzenbewegen/im-wandel-der-zeit-so-aendert-sich-unsere-ernaehrung, 8.7.2023)
[8] Vgl. ebd.
[9] Ebd.

Dr. phil. MoonHee Fischer

Dr. phil. MoonHee Fischer

„Was eines ist, ist eines. Was nicht eines ist, ist ebenfalls eines.“ (Zhuangzi) Jenseits eines dualistischen Denkens, im Nichtgeist, gibt es weder das Eine noch ein Anderes. Wo das Eine sich von einem Zweiten abgrenzt, ist keine Einheit, sondern Zweiheit. Die Erfah-rung des Einen – ich bin al...
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