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In letzter Zeit bin ich etwas weinerlich – auf eine gute Art und Weise. Denn es halten mich so viele helfende Hände, dass ich meine Dankbarkeit irgendwo schwimmen lassen muss.

Seit Jahren spüre ich das Gefühl von Dankbarkeit in mir und stelle fest, um wie viel schöner mein Leben dadurch wird. Jede Kleinigkeit – und sei es auch nur ein Schmetterling, der in Seelenruhe im tiefen Violett des Flieders versinkt – macht mir klar, wie wunderbar mein Dasein ist, ohne dass ich großartig etwas dazu beitragen muss. Die Welt ist auch ohne mein Zutun großartig. Dieses Bewusstsein hat mein Leben unendlich verbessert, erweitert und geerdet.

Vielfach unterscheidet man ja zwischen Gebern und Nehmern, also Menschen, die vorrangig schenkende Hände haben oder eben ihre Hände ausstrecken. Ich schenke gerne, immer schon – und das muss nicht zwangsläufig etwas Materielles sein, auch wenn ich Stunden damit verbringen kann, nach einem passenden Geschenk für einen bestimmten Menschen zu suchen. Es soll nämlich diesem Menschen entsprechen und nicht einfach nur materieller Ausdruck dessen sein, dass ich an den Geburtstag oder das Weihnachtsgeschenk gedacht habe. Da bin ich so radikal, dass ich lieber nichts schenke, wenn ich eben nichts finde oder entdecke. In solchen Fällen muss dann mein breites Lächeln genug sein.

Die Gefahr für Menschen mit schenkenden Händen ist, dass sie völlig die Balance zwischen Geben und Nehmen vergessen. Und irgendwann einmal ist ihre Hälfte der Waage am Boden und der Mensch mit ihr. Das ist eine der wertvollen Einsichten, die ich im Laufe der letzten 57 Jahre gewinnen durfte. Es hat ein wenig gedauert, bis ich diese Erkenntnis auch auf den Boden gebracht habe, doch jetzt ist meine Achtsamkeit geschärft. Vor allem in meiner Partnerschaft war es mir von Anfang an wichtig, diese Balance zu halten. Glücklicherweise ist das weder meinem Partner noch mir schwergefallen, weil wir einfach alles für einander bereithalten, was der jeweils andere braucht und möchte.

Und weil das so ist, werden wir im August heiraten. Das schwarz auf weiß zu lesen, flasht mich immer noch, da ich mehrere Jahrzehnte meines Lebens eine erklärte Gegnerin dieser Lebensform war. Das fußt auf einem lang zurückliegenden Disput mit meinem Vater. Er behauptete damals, dass eine Ehe leichter zu führen sei als eine Partnerschaft, die aufgrund des abwesenden Ehegelübdes eben volatiler sei. Ich hielt dagegen, dass man sich in einem „schlamperten Verhältnis“ ja gerade deshalb mehr anstrengen würde, weil eben kein Versprechen dahinter stünde. 18 Jahre lang habe ich ihm das bewiesen – meine Großmutter meinte, dass viele Ehen nicht so lange dauern würden. Darauf war ich stolz.

Freude

Jetzt liegen die Karten anders, jetzt darf es die verschärfte Variante einer Partnerschaft sein. Denn es ist ein wahres Glück, jenseits der 50 einen Menschen zu finden, der sich mit seiner Einstellung und seinen Gewohnheiten elegant in das eigene Lebensmodell einfügt. Doch am Anfang dieser verschärften Variante steht bekanntlich die Hochzeit, und das ist jede Menge Arbeit – vor allem wenn der Partner auf einem anderen Kontinent sitzt, helfen möchte, aber nicht kann, weil 9.000 Kilometer eben nicht mit einem Fingerschnipsen zu überwinden sind. Sollte jemand die Mailadresse von Scotty haben – bitte schicken!

Nichtsdestotrotz: Man wächst an den Herausforderungen, und gemeinsame Gedanken werden also nun seit einiger Zeit langsam in Richtung Realisierung geschubst. Doch auch wenn meine Großmutter mir das Prädikat einer „starken Frau“ verliehen hat, war diese Aufgabe zu groß für mich. Und das haben wohl auch meine Familie, Freundinnen und Freunde so gesehen, die mir und uns auf wunderbare Art und Weise zur Seite stehen. Da werden Poltertage und -abende organisiert, Dekorationen übernommen, Einladungen entworfen, Essensagenden erfüllt, Musik geprobt und Ideen eingebracht. So können Pläne entstehen, deren Umsetzung nicht nur das Brautpaar, sondern auch alle Beteiligten mit viel Freude und Glück erfüllen werden. Das zu erleben, erfüllt mich rund um die Uhr mit einer unendlichen Dankbarkeit und berührt mich zutiefst. Nie – und ich verwende dieses Wort äußerst spärlich – hätte ich mit dieser geballten Kraft an Hilfsbereitschaft und Unterstützung gerechnet.

Deshalb finde ich mich selbst in diesen Tagen immer wieder mit Tränen in die Augen, weil ich vollkommen überwältigt bin von der Freundlichkeit meines sozialen Umfelds. Aber auch deshalb, weil ich offenbar inzwischen gelernt habe, wie sehr man beschenkt wird, wenn man Geschenke zu akzeptieren lernt. Wenn man bereit dafür ist, anderen die Freude des Schenkens zu lassen, die man selbst jahrzehntelang empfunden hat. Insofern muss ich fast ein wenig mit mir schimpfen ob des Egoismus', immer nur die Gebende sein zu wollen. Und die Freude dafür für mich alleine haben zu wollen. Ich musste 57 Jahre werden, um das zu begreifen. Und weil ich das alles jetzt auch erleben werde, macht der FREITAG jetzt Sommerpause bis September. Habt eine schöne Zeit!

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Bilder © Pixabay

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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