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Diskurs

Weithin unbekannt und eine vom deutschen Buddhismus verdrängte Seite des Dharma ist die Indienstnahme der Lehre für rassistische und nationalistische Zwecke.

Der Buddhismus gilt gemeinhin als Religion der Toleranz und Friedfertigkeit. Wer die Lehre praktiziert, will in Harmonie mit sich selbst und anderen leben, wünscht sich zumeist eine globale Kultur der Empathie und des Nichtverletzens. Doch wer ein wenig genauer hinsieht, entdeckt auch andere Seiten des Dharma, die nicht ignoriert werden dürfen. In Myanmar wirken Buddhisten seit Jahren aktiv an der Verfolgung und Vertreibung der moslemischen Minderheit der Rohingyas mit. Hunderte Angehörige dieser Nationalität wurden von aufgehetzten Massen zu Tode geprügelt, erstochen und angezündet. Ein besonders infamer Hassprediger ist der Mönch Wirathu, dem man schon den Beinamen „Buddhistischer Bin Laden“ verliehen hat. „Du kannst erfüllt von Freundlichkeit und Liebe sein, aber trotzdem nicht neben einem tollwütigen Hund schlafen [...]. Wenn wir schwach sind, wird unser Land muslimisch“, zitiert Thomas Fuller den Mönch 2013 im Artikel „Extremism Rises Among Myanmar Buddhists“ in der New York Times.

Unheilsame Allianzen

Auch in Sri Lanka waren Buddhisten aktiv in die Verfolgung und Unterdrückung der im Lande lebenden hinduistischen Tamilen involviert. Ebenso haben japanische Zen-Priester im Zweiten Weltkrieg junge Soldaten im Geist des Dharma zum rücksichtslosen Töten von Kriegsgegnern animiert. Des Weiteren war Tibets Geschichte des Buddhismus, jenem in den Augen vieler westlicher Buddhisten vollkommenen und friedfertigen Shambala auf dem Dach der Welt, keinesfalls bloß durch glückseliges Lächeln und Gewaltlosigkeit bestimmt. Allein die buddhistische Missionierung der Mongolen durch die Tibeter im 12. Jahrhundert war ein Akt brutaler Gewaltausübung, der mit dem Ziel der „Verbreitung des Dharma“ legitimiert wurde. In den 1930er-Jahren gab es eine „Nazi-Tibet-Connection“. Es ist streitbar, ob die gewalttätige tibeto-buddhistische Bilderwelt mit ihren zornvollen, säbelschwingenden Gestalten und Waffenarsenalen aus Speeren, Spießen, Keulen, Schlingen und Messern allein symbolisch interpretiert werden darf. Im Frühbuddhismus gibt es eine solche Ikonografie jedenfalls nicht.

Bis in die Gegenwart wirksam

Auch in heutigen buddhistischen Gruppen lassen sich verstörende Bilder sowie rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen einiger Repräsentanten entdecken. So stoßen wir im Internet auf Fotos des dänischen Lamas Ole Nydahl mit einer automatischen Waffe in der Hand und andere, auf denen er respektvoll Visitenkarten mit dem holländischen Rechtsradikalen Geert Wilders austauscht. Nydahl machte in der Vergangenheit wiederholt mit ausländerfeindlichen und rassistischen Äußerungen von sich reden, die er dann gelegentlich zurücknahm oder durch Kommentare seiner Anhänger zu relativieren versuchte. Die Vielzahl solcher Fälle ist allerdings sehr bedenklich.

Selbst der Dalai Lama zeigt keine Berührungsängste gegenüber Rechtsextremen und Terroristen. So empfing er mehrfach den Antisemiten und Holocaust-Leugner Miguel Serrano, einen ehemaligen chilenischen Diplomaten und Verfasser von Büchern zum esoterischen Hitlerismus, in denen er Hitler als göttliche Inkarnation lobpreist. Auch dem Führer der japanischen AUM-Sekte, Asahara, dessen Gruppe bei einem Giftgasanschlag im März 1995 in der Tokioter U-Bahn mehrere Menschen tötete und 5.500 verletzte, gewährte er mehrere Audienzen. Wohlmeinende Stimmen erklären diese Treffen mit der „Naivität“ und dem „mangelnde[n] politischen Gespür“ seiner Heiligkeit oder schieben die Verantwortung seinen Beratern zu.

In allen buddhistischen Schulen findet sich die Rechtfertigung von Krieg und Gewalt

Es gibt einen Buddhismus der heiligen Texte und ehrwürdigen Kommentare; doch wer sich der Lehre allein aus der philologischen Perspektive nähert oder in ihr vor allem die große Sehnsuchtsfläche eigener Wünsche und Hoffnungen sieht, der nimmt nur einen Teil der Wirklichkeit wahr. Die Tradition der buddhistischen Lehre besteht nicht allein aus Textexegese, sondern umfasst auch die Geschichte ihrer faktischen Wirkungen auf das gesellschaftliche Leben der Menschen in den Ländern, die von ihr geprägt wurden. Viele historische Ereignisse belegen, dass das Prinzip der Gewaltfreiheit nicht selten aufgrund von äußerem Druck oder aus anderen Gründen pervertierte und sich sogar in sein Gegenteil verkehrte. Eine Rechtfertigung von Gewalt liefern Zitate aus einigen Mahayana-Sutren, zum Beispiel aus dem Mahaparinirvana-Sutra, die das „Töten aus Mitgefühl“ rechtfertigen. Die Legitimation von Krieg und Gewalt ist aber keine Neuerung des Mahayana-Buddhismus, sondern findet sich – wenn auch in einem viel geringeren Umfang – bereits in der Theravada-Tradition. Der König Anawrahta (1044–1077), der in Burma den Buddhismus zur Staatsreligion machte, ließ als eine seiner ersten Amtshandlungen nach seiner Konvertierung das benachbarte Königreich Thaton angreifen, dessen Hauptstadt plündern und die dort befindlichen Pali-Schriften auf dem Rücken von Elefanten nach Pagan bringen. Der blutige Feldzug wird bis heute auf Wandgemälden in burmesischen Tempeln glorifiziert. Im Mahayana-Buddhismus kommt es zu einem ausdrücklichen moralischen Relativismus, zum Beispiel im Yogacarabhumi-sastra: Der erleuchtete Bodhisattva, der einen Übeltäter im Vorgriff auf eine schlechte Handlung tötet, erzeuge dadurch nicht nur keinerlei schlechtes Karma, sondern begehe eine gute Tat, indem er das Leben Unschuldiger rettet und sogleich dem Getöteten die Qualen eines ihm verursachten schlechten Karmas erspart.

Buddhismus

Warum bedienen sich Nazis und andere Rassisten des Buddhismus?

Das Schwert, „das Leben schenkt“, indem es tötet, ist ein beliebtes Bild in der japanischen Zen-Literatur. Als die Schule des Zen-Buddhismus von China nach Japan kam, wurde sie dort zu einer tragenden Stütze der feudalen Herrscher. Die Lehre von der Ichlosigkeit und Vergänglichkeit aller Phänomene mutierte zur Handlungsanweisung für das Samurai-Training, im Kampf sein Ich loszulassen und völlig eins zu werden mit dem Schwert, das den Gegner vernichtet. Keinen Gedanken an sein Ich und die Sinnhaftigkeit seines Auftrags darf der im Geist des Zen Erzogene hegen, allein Treue und Pflichterfüllung sollen sein Handeln bestimmen. Diese Ethik geht zurück auf die Bhagavad-Gita, eine der wichtigsten heiligen Schriften Indiens in Form eines Lehrgedichts. Arjuna, der zögert, in einen Krieg zu ziehen, weil er die Opfer auf beiden Seiten sieht, wird vom Gott Krishna belehrt, gewissenhaft seine Pflicht zu erfüllen, dabei aber keinen Gedanken an Sieg oder Niederlage zu verschwenden und weder dem einen noch dem anderen verhaftet zu sein. Wichtig sei allein die innere Haltung. Außerdem sterbe am Ende ja niemand wirklich, da diese Welt ohnehin nur eine Illusion sei. Eine erlaubte Amoralität des Handelns, die Vorstellung einer letztlichen Belanglosigkeit des eigenen Ich, verbunden mit dem Guru-Prinzip strikten Gehorsams und einem ausgeprägten Ritualismus sind so die eklektischen Anleihen, mit denen Krieg und Gewalt buddhistisch legitimiert wurden und teilweise noch werden.

Zen in der Kunst, ein Nazi zu sein

Während des Dritten Reiches gab es in Deutschland nur wenige Tausend Buddhisten. Doch anders als die Bekennende Kirche, die Freimaurerlogen oder die okkulten Gesellschaften wurden sie von den Nazis kaum bedrängt. Verfolgt wurden Buddhisten dann, wenn sie zugleich Juden oder Kommunisten waren. So auch der von den Nazis ermordete Walter Tausk (1890–1941), dessen Breslauer Tagebuch ein eindrucksvolles Dokument des Leidenswegs eines Buddhisten jüdischer Herkunft ist. Unter den deutschen Buddhisten gab es nicht wenige Nazis, darunter solche, die später dem Buddhismus in Deutschland prägende Gestalt verliehen. Ein Beispiel ist Eugen Herrigel (1894–1955), der während eines Aufenthalts in Japan die Kunst des Bogenschießens erlernte und mit seinem Werk „Zen in der Kunst der Bogenschießens“ eine bestimmte Vorstellung der Welt des Zen-Buddhismus verbreitete. Herrigel trat 1937 in die NSDAP ein. Während der letzten beiden Kriegsjahre übernahm er die Leitung der Universität Erlangen. Während einige ihn dafür lobten, dass er „in kritischer Zeit das Steuer der Universität in seine Hände nahm“, kritisierten andere seine Lobhudeleien zur Opferbereitschaft für das Vaterland und Furchtlosigkeit vor dem Tod, die er als die großen Gemeinsamkeiten unter den deutschen und japanischen Tugenden pries. So schrieb Herrigel 1944 über das Ethos des Samurai: „So verstehen wir unseren tapferen Bundesgenossen im fernen Osten doch in allem Wesentlichen, wie es für uns wie für ihn heiligste Überzeugung ist, daß, nach einem tiefen Wort Hölderlins, für das Vaterland noch keiner zu viel gefallen ist.“ Er bewunderte den Opfergeist der Samurai, den er sonst nur noch im deutschen Soldatentum erblickte. Des Japanischen kaum mächtig, verstand er wohl eines Tages die Aussage seines Meisters „Es hat geklappt“ beim Treffen des Pfeils ins Schwarze so, als habe ein ominöses „Es“ jenseits des eigenen Ich den erfolgreichen Pfeilschuss bewirkt. Und als Folge geistert ein so mystifiziertes „Zen-Es“ als Gegenpol zum schädlich reflektierenden Ich bis heute durch die buddhistische Landschaft.

Verdrängte Seiten in der „Traditionspflege“ westlicher Buddhisten

Ein weiterer buddhistischer Vertreter mit Nazi-Vergangenheit ist Karlfried Graf Dürckheim (1896–1988), der in seinem Leben als Diplomat, Psychotherapeut und Zen-Lehrer an der Verbreitung des japanischen Buddhismus in Deutschland mitwirkte. Nach dem „Notabitur“ nahm er als 18-Jähriger am Ersten Weltkrieg teil und kämpfte nach dessen Ende mit einem Freikorps gegen die Bayerische Räterepublik. Seine Zuwendung zum östlichen Denken begann mit der Lektüre des daoistischen Grundlagenwerks Daodejing – das Buch vom Weg und der Tugend. Obwohl nach nationalsozialistischer Auffassung Vierteljude, wurde er von Rudolf Heß mit der Betreuung des Auslandsdeutschtums beauftragt und als assoziierter Mitarbeiter der Presseabteilung des Auswärtigen Amts während des Zweiten Weltkrieges nach Japan geschickt. Neben seinen Studien zum Zen-Buddhismus veröffentlichte er dort auf Japanisch die Schrift „Neues Deutschland – deutscher Geist“, die 1942 in Tokio erschien. Insbesondere zog ihn der „Weg des Kriegers“, „Bushido“, an, und er begeisterte sich für die „soldatische Orientierung“ des Zen. 1944 wurde er mit dem Kriegsverdienstkreuz II. Klasse ausgezeichnet. „Das unermessliche Leiden, das heute in Deutschland ist, wird das deutsche Volk um eine Stufe höher bringen und noch mehr zu sich selbst, und tiefere Lebenseinstellungen gebären“, schrieb er in den letzten Kriegstagen an einen Freund. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte er seine Initiatische Therapie, die verschiedene Heilmethoden zusammenführt. In Todtmoos im Schwarzwald begründete er eine Bildungs- und Begegnungsstätte, von wo er seine Heilungsmethode und den Zen-Buddhismus, über den er zahlreiche Arbeiten verfasste, verbreitete. Graf Dürckheim wird von seinen Anhängern bis heute als Lichtgestalt des westlichen Zen-Buddhismus verehrt. Über die eigene, kritische Aufarbeitung seiner NS-Vergangenheit ist öffentlich nichts bekannt geworden.

Buddhismus als Politik

Als Religion finden Menschen im Buddhismus Rat und Unterweisung in Fragen der täglichen Lebensführung und der schließlichen Erlösung vom Leid der Welt. Doch in seiner 2.500-jährigen Geschichte hatte die Lehre des Buddha immer eine politische Dimension. Beginnend mit seinen Ratschlägen an Monarchen wie auch demokratisch gewählte Herrscher, über die Sozial- und Wirtschaftspolitik Ashokas bis hin zur Herrschaftsform der Buddhokratie in Tibet ging es stets auch um Fragen der Organisation von Staat und Gesellschaft. Im Oszillieren zwischen Heilslehre und politischer Realität, zwischen Mythen und Fakten, zwischen Symbolik und empirischer Wirklichkeit entfaltet buddhistische Politik einen ganz eigenen Wirkungsraum, der sie von den frühen Lehren mitunter weit entfernt hat.

Buddhistische Politik hat in der Geschichte grausame Unterdrückung legitimiert, stand aber zu anderen Zeiten auch im Dienst der Revolte; Rassisten und Nationalisten haben sich ihrer zur Durchsetzung reaktionärer Ziele bedient, ebenso wie heute soziale Reformer und Umweltschützer ihr Handeln zum Schutz von Mensch und Umwelt aus den Lehren des Dharma ableiten. Hohe religiöse Würdenträger mögen Experten für die ganz hohen Bewusstseinszustände sein, doch sind sie nicht unbedingt in gleicher Weise kompetent, wenn es um die Niederungen des politischen Alltags geht, und auch nicht frei von Interessen und Vorurteilen. Im Einzelfall sollte man besser kritisch hinschauen, anstatt naiv zu glorifizieren.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 120: „Lebendiger Buddhismus"

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Dr. Hans-Günter Wagner

Dr. Hans-Günter Wagner

Hans-Günter Wagner ist ein traditionsübergreifender Buddhist. Er war fünfzehn Jahre in China beruflich tätig und studierte dort den chinesischen Buddhismus. Heute ist er Chinesisch-Lehrer und Übersetzer buddhistischer Prosa- und Lyrikwerke.
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