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Leben

Eine Nonne und zwei Dharma-Lehrende sprechen über ihren Buddhismus.

Wie haben Sie den Buddhismus für sich entdeckt?

Isis Bianzano: Im Jahr 1983/84 – während einer einjährigen Reise – entdeckte ich in der Nähe von Kathmandu das tibetisch-buddhistische Kloster Kopan. Dort besuchte ich mein erstes längeres Retreat, was mein Leben nachhaltig veränderte.

Manfred Folkers: Tiefe Zweifel an den Motiven und Zielen der westlichen Lebensweise veranlassten mich zu langen Asienreisen. Danach führte mich ruhiges und genaues Hinschauen zur Lehre des Buddha, dem Dharma.

Shifu Simplicity: Als Studentin las ich in einem Buch über Weltreligionen. Die kurze Beschreibung des Buddhismus hat mich spontan sehr angezogen. In der Bibliothek fand ich dann ein Buch mit den Lehren der alten erleuchteten chinesischen Meister. Obwohl ich diese Geschichten nicht verstand, wurde mir klar, dass es eine absolute Wahrheit jenseits unseres logischen Denkens, jenseits unserer Emotionen und jenseits von jeglichen Konventionen gibt. Das hat mich sehr inspiriert, mich intensiv auf die Suche nach dieser Wahrheit zu machen.

 

Welche Stellung nimmt der Buddhismus in Ihrem Leben ein?

Bianzano: Ein wichtiges Modell im Buddhismus ist das der Vier Edlen Wahrheiten. Sie sind eine wertvolle Orientierung für mich, wie ich Gegenwärtigkeit, Erkenntnis und Mitgefühl entwickeln kann. Jeden Tag.

Folkers: Dharma ist Basis meines Geisteslebens, insbesondere die überzeugende Begründung meiner vollständigen Verbundenheit mit der Welt durch die Einsicht, leer zu sein von einem eigenständigen Selbst.

Shifu Simplicity: Als buddhistische Nonne ist mein ganzes Leben dem Buddhismus gewidmet. Es gibt keine Trennung mehr zwischen Praxis und Alltag, auch ein sogenanntes Privatleben habe ich nicht.

 Dharma

Würden Sie sich als säkular oder religiös bezeichnen? Warum?

Bianzano: Ich würde mich eher als religiös bezeichnen, da die Ausrichtung auf eine immanente, aber auch transzendente Wirklichkeit wichtig für mich ist. Eine dogmatische Religiosität sagt mir aber nicht zu.

Folkers: Das Motto „Nicht glauben, sondern erkennen“ öffnet mir die Tür zum Dharma. Begriffe wie „religiös“, „säkular“ und „Buddhismus“ sind mir zu eng. Lieber versuche ich, vollkommen aufrichtig anwesend zu sein. 

Shifu Simplicity: Keine Frage, ich würde mich als religiös bezeichnen. Ich habe vollstes Vertrauen in die Lehren des Mahayana-Buddhismus als von Buddha, dem vollkommen Erleuchteten, gelehrt. Meine eigene Erfahrung in der Praxis zeigt, dass Dinge, die sich nicht logisch erklären lassen, dennoch möglich sind.

 

Hat sich Ihr Zugang zum Buddhismus im Laufe Ihres Lebens verändert?

Bianzano: Die Entwicklung von Wohlwollen und Mitgefühl – mir und anderen gegenüber – ist außerordentlich wichtig geworden. Auch das Praktizieren im Alltag hat an Bedeutung gewonnen.

Folkers: Konzepte wie Karma und Wiedergeburt meide ich weiterhin. Als Handeln und Fortdauer verstanden und vom Ich-Konstrukt befreit veranschaulichen sie jedoch nun mein Eingewobensein in den Lebensstrom.

Shifu Simplicity: Durch die intensive Praxis in der traditionellen chinesischen Chan-Tradition habe ich viele Arten der Praxis schätzen gelernt, zu denen ich anfangs noch keinen Zugang hatte, wie Niederwerfungen, Sutren rezitieren, Chanting oder auch das Auswendiglernen von Texten. Auch Großzügigkeit habe ich immer mehr verstanden.

 

Welche Praxis finden Sie am hilfreichsten?

Bianzano: Ich fühle mich am stärksten zur Vipassana-Praxis hingezogen. Das freundliche Gegenwärtigsein mit allen Erfahrungen sowie das differenzierte Verstehen, welche Prägungen uns daran hindern, zu „erwachen“.

Folkers: Erstens: Meditation im Alltag und Akzeptanz aller Facetten der Wirklichkeit. Zweitens: offene Weite in der Natur, wie etwa Strand, Tag- und Nachthimmel oder waldfreie Bergwelt. Drittens: Gespräche über Dharma als integrale Seinslehre.

Shifu Simplicity: Das kann man so pauschal gar nicht sagen. Sitzmeditation ist natürlich zentral, davon die Methode „Realität des Mittleren Weges“, eine Methode ohne Objekt. Aber auch die anderen Praxismethoden wie Achtsamkeit im Alltag, gelebtes Mitgefühl, Sutren-Rezitation, Sutren-Studien sind ebenfalls sehr wichtig und haben ihren Stellenwert.

 


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 120: „Lebendiger Buddhismus"

UW120


 

Isis Bianzano widmet sich seit 1983 der buddhistischen Geistes- und Herzensschulung, wurde von Fred von Allmen zum Lehren autorisiert und leitet seit 2008 Vipassana- und Mettakurse. www.isis-bianzano.ch

Manfred Folkers ist Diplom-Pädagoge. Er ist seit 1995 Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins „Achtsamkeit in Oldenburg“ und 2004 von Thich Nhat Hanh zum Dharma-Lehrer ernannt worden. Seit 2009 ist er Mitglied des Rates der „Deutschen Buddhistischen Union DBU“.

Shifu Simplicity wurde 1998 von Thich Nhat Hanh zur buddhistischen Nonne ordiniert. Sie wechselte dann ins Chan-Kloster Chung Tai nach Taiwan, wo sie vierzehn Jahre in einer großen Klostergemeinschaft praktizierte. Derzeit leitet sie das Miao Fa Zentrum in Berlin und das Chan-Kloster Wassermond bei Guben.

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Redaktion Ursache\Wirkung

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