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Leben

Der japanische Mönch, Make-up Artist und LBSTQIA+-Aktivist Kodo Nishimura erzählt über seinen ungewöhnlichen Werdegang.

U\W: Könnten Sie uns etwas über Ihren Lebensweg erzählen?

Kodo Nishimura: In einer Welt, in der von allen erwartet wird, „normal“ zu sein, nutze ich Buddhismus und Beauty, um Menschen zu helfen, ihr authentisches Selbst zu sein. Ich wurde in einem buddhistischen Tempel in Kyoto geboren und rang mit meiner Homosexualität und den Erwartungen, die das traditionelle Mönchsideal an mich stellte. Nachdem ich als Make-up Artist in New York arbeitete, lernte ich, dass man sich mit Make-up wunderbar fühlen kann, aber letztendlich benötigen wir dafür kein Make-up.

Als ich die Mönchausbilddung an der Jodo-shu in Kyoto begann, fand ich eine buddhistische Schrift, die aussagt, dass Buddhismus Diversität unterstützt. Ich traf einen Meister, der mir beibrachte, dass nichts daran falsch ist, seinen eigenen Weg zu gehen.

Was ist das Besondere an der Jodo-shu, dem japanischen Buddhismus des Reinen Landes?

Jodo-shu betont die Gleichheit aller Menschen. Eine meiner Lieblingslehren stammt von Honen, dem Gründer dieser Tradition. Sie besagt, dass die Barmherzigkeit des Amida-Buddha wie das Mondlicht ist. Es gibt keinen Ort, den das Mondlicht nicht erreicht, und alle, die zum Mond aufschauen, können erleuchtet werden.

Wieso sind Sie Mönch geworden?

Seit ich jung war, stand ich dem Buddhismus skeptisch gegenüber. Meine Mutter, eine Pianistin, sagte einmal: „Wenn du sagst, dass du die Musik von Mozart nicht magst, musst du zuerst diese Musik spielen und die Komposition gut studieren. Dann kannst du mit gültigem Wissen Kritik üben. Wenn man nicht gut genug über das Thema Bescheid weiß, ist das sinnlos und wertend.“ 

Ich dachte immer: „Warum müssen wir glauben? Wie können wir erleuchtet werden?“, und ich hatte nur ein Teilwissen über den Buddhismus. Also beschloss ich, die Lehren zu studieren und Mönch zu werden, um zu sehen, was ich herausfinden kann.

Was lernten Sie für Ihren zukünftigen Lebensweg?

Was ich über den Buddhismus erfuhr, löste genau das Problem, mit dem ich zu kämpfen hatte: meine Sexualität. Später, während meiner Ausbildung, lernte ich, dass der Buddhismus die Vielfalt unterstützt und sagt, dass jeder unabhängig von seinen Unterschieden gleichermaßen befreit sein kann. Deshalb möchte ich diese Lehre mit verschiedenen Menschen teilen, auch mit der LBSTQIA+-Gemeinschaft, damit sich alle frei fühlen können, um mit Stolz ihr authentisches Selbst zu sein.

Mönch

Wie entstand Ihr Interesse für Mode und Schönheit?

Schon als Kind habe ich mich für Mode und Schönheit interessiert, aber ich hätte nie gedacht, dass das einmal Teil meines Berufs sein würde. Bis dahin war ich überzeugt, dass eine männliche Person niemals etwas mit Make-up zu tun haben könnte. Mit dieser Denkweise bin ich in Japan aufgewachsen.

Wenn ich zum Beispiel in Tokio einen Kosmetikladen besuchte, fragte mich die Verkäuferin: „Suchen Sie ein Geschenk für Ihre Mutter oder Ihre Freundin?“, und ich traute mich nicht zu antworten, dass es für mich war. Als ich in die USA zog, sah ich Männer, die an Kosmetiktheken und auf Partys Make-up trugen, und dachte: „Wenn sie das können, sollte ich das auch können.“ Gleichzeitig fühlte ich mich in den USA wegen meiner ethnischen Herkunft zunehmend minderwertig und verglich mich mit anderen. Ich hatte schmale Augen, eine größere Nase und eine kleinere Statur als die anderen Student*innen. Ich hatte das Gefühl, dass Japaner*innen sich nie schöner fühlen konnten als andere. Ich schob meine Minderwertigkeitsgefühle auf meine ethnische Herkunft.

Gab es irgendetwas, das eine Wende einleitete?

Ja, 2007 kam die große Nachricht, dass Miss Universe Japan den Titel der Miss Universe 2007 gewonnen hat. Die Gewinnerin, Riyo Mori, gab mir Hoffnung, dass ethnische Zugehörigkeit kein Grund sein muss, um sich anderen unterlegen zu fühlen. Sie trug sogar ein rauchiges Augen-Make-up, um ihre asiatischen Augen zu betonen. Da beschloss ich, mich endlich selbst zu schminken, und kaufte Eyeliner und Mascara. Das war augenöffnend und überwältigend. Ich spürte, dass ich sein konnte, wer immer ich sein wollte.

Später hatte ich die Gelegenheit, meine Freundin zu schminken. Sie machte gerade einige persönliche Probleme durch, und um sie zu ermutigen, beschloss ich, sie eines Tages zu schminken. Sie sah so viel besser aus. Ihre Verwandlung zu beobachten, war so überraschend und rührend. Sie strahlte nicht nur von außen, sondern auch von innen.

Interessant war, dass ihr Selbstvertrauen auch nach dem Abschminken noch anhielt. Da beschloss ich, mich ebenfalls schminken zu lassen, um mehr Menschen zu ermutigen, ihre Situation zu verbessern. Später begann ich, einem Visagisten in New York zu assistieren, der das Make-up für die Miss Universe machte. So habe ich meine Make-up-Karriere begonnen.

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Wie schaffen Sie es, den Tempel und die Modewelt zu vereinen?

Zwei Welten zu haben schafft ein starkes Gleichgewicht. Ich bin sowohl traditionell als auch trendy, sowohl japanisch als auch international, sowohl männlich als auch weiblich. Indem ich Buddhismus und Make-up verbinde, kann ich die Menschen von innen und außen ansprechen. Ich beabsichtige, die Herzen der Menschen mit den buddhistischen Lehren zu berühren, und ich berühre sie physisch.

Wie können buddhistische Lehren queeren Menschen helfen?

Die buddhistischen Lehren betonen, dass alle Menschen befreit werden können. Eine Geschichte in einem Sutra besagt, dass im Teich des Unberührten Reinen Landes, das dem Himmel ähnlich ist, viele Farben von Lotusblumen blühen, und jede Blume leuchtet in ihrer eigenen Farbe. Die blaue Lotusblume leuchtet blau, die gelbe Lotusblume leuchtet gelb, die rote Lotusblume rot und die weiße Lotusblume weiß. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Vielfalt schön ist und dass jeder Mensch in seiner eigenen, einzigartigen Farbe leuchten sollte.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 121: „Mit allen Sinnen"

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Kodo Nishimura ist ein japanischer buddhistischer Mönch und Make-up Artist sowie LBSTQIA+-Aktivist. Da sein Vater Mönch war, wuchs Kodo im Tempel auf. Nach der High School studierte er am Dean College, USA. Während dieser Zeit entdeckte er seine Leidenschaft für Mode und Make-up. Kodo schminkt Models aus aller Welt für Fashion-Shows und gibt Make-up-Kurse für Transgender-Frauen. 2015 erhielt Kodo die Mönchsweihe. Seine Zeit teilt er gleichmäßig auf das Leben im Tempel und in der Fashionwelt auf. www.kodonishimura.com

Kodo Nishimura, Der Mönch in High Heels, Droemer Knaur Verlag 2022

Bild Teaser und Text © Ibuki

Bild header © Pixabay

Tobias Trapp

Tobias Trapp

Tobias Trapp arbeitet als Software-Architekt und praktiziert richtungsübergreifend. Er ist einer der Gründer*innen der „Sangha unter dem Regenbogen“, einer Gruppe für LGTB+, die sich für Buddhismus interessieren. Er kümmert sich in Mainz um queere Geflüchtete.
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