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Leben

Der Wunsch, immer informiert zu sein, kann die Psyche belasten. Wie kann man sich vor Negativnachrichten schützen? Medienhygiene ist das Gebot der Stunde: mehr auf Qualität achten und die Informationsquellen besser auswählen.

Zwischen Berlin und der australischen Hauptstadt Canberra liegen ungefähr 16.000 Kilometer. In Deutschland gibt es unter der Erde ein fast zehnmal so langes Streckennetz. Dieses Netz aus 155.000-Kilometer-Rohren hilft den Regenwasserkanälen dabei, Wolkenergüsse über die Regenrinnen in spezielle Anlagen zu leiten, die daraus Trinkwasser aufbereiten.

Dieses Prinzip funktioniert allerdings nur so lange, bis anhaltende Schauer zu Fluten werden. Dann kollabiert das System. Unsere Psyche funktioniert ähnlich: Sie lenkt und filtert die unzähligen Eindrücke und Informationen, die tagtäglich auf uns einprasseln. Erst dadurch werden wir überlebensfähig. Doch wenn die Niederschlagsmenge aus Informationen und schlechten Nachrichten steigt, kann das Bewusstsein quasi überlaufen.

Soziale Medien und Smartphones bewirken genau das. Immer öfter und immer schneller, nicht selten in Echtzeit, ziehen neue Gewitterfronten auf. Im Zentrum der Informationen stehen Katastrophen wie Krieg, Pandemien, Terror, Hungersnöte, Leid, Frustration, Wut. Immer unnachgiebiger spülen sich neue „Bad News“ in die Feeds und Zeitleisten. Wie schützen wir unser mentales Regenwassersystem vor dem Überlaufen? Wie lernen wir, mit der Flut schlechter Nachrichten umzugehen?

Kaum eine Nachrichtensendung kommt ohne die Wörter „Und nun zum Wetter“ aus. Die Wetterfrösche der Nation erklären im Stundentakt, welche Kleidung am kommenden Tag angebracht ist. Die rund hundert Mitarbeitenden des Deutschen Wetterdienstes geben jährlich 1,96 Milliarden Push-Meldungen ab. Trotzdem ärgern Menschen sich regelmäßig, dass sie zu dicke Mäntel und überflüssige Regenjacken eingepackt haben. Der Grund: Der Bericht bildet nur einen Teil des Wetters ab. 

Genauso bilden auch Nachrichten nur einen bestimmten Teil der Wirklichkeit ab. Sie sind darauf angewiesen, Informationen zu filtern, Sachverhalte zu vereinfachen und Prognosen zuzuspitzen. Indem sie der Ausnahme mehr Platz einräumen als der Regel, verzerren sie das Weltbild hin zum Negativen.

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Trotz vieler Tiefs scheint die Sonne aber öfter und intensiver als gedacht, und ein beträchtlicher Anteil der vermeintlich wichtigen News ist wirklich von Bedeutung. Wer das nicht glaubt, sollte das Buch „Factfulness“ des Gesundheitsforschers Hans Rosling lesen, das anhand von Fakten zeigt: Die Welt ist besser, als wir denken, und sogar auf dem Weg, noch besser zu werden.

Diese Erkenntnis hilft, die Flut schlechter Nachrichten besser einzuordnen und zu relativieren. Sie ist aber erst der Anfang. Obwohl alle wissen, dass die Prognosen nur selten akkurat sind, werden die Wetterapps immer wieder geöffnet. Wir müssen deshalb aktiv an der Art und Weise arbeiten, wie wir Medien konsumieren. Das Stichwort lautet: Medienhygiene.

Schon Peter Lustig empfahl, sicher nicht immer zur Freude seiner Vorgesetzen, am Ende einer jeden Löwenzahn-Folge: „Und jetzt: Abschalten!“

Das Gleiche gilt auch heute für das Smartphone. Man verpasst nichts, wenn man auf das sogenannte Doomscrolling verzichtet, das einen immer tiefer in den Strudel negativer Meldungen hineinzieht. Wie wichtig ist es wirklich, innerhalb von fünf Minuten über jeden neuen Skandal im britischen Königshaus informiert zu sein? Welchen Mehrwert hat die Berichterstattung über vereinzelte Kriminaldelikte oder Autounfälle?

Beim Medienkonsum sollte daher auf Qualität statt auf Quantität gesetzt werden. Es gilt, die Energie in Themen zu investieren, die tatsächlich interessieren und von Belang sind. Dabei kann es helfen, ganz bewusst nur Seiten zu folgen, die auf konstruktive, ausgewogene Berichterstattung und Hintergrundinformationen Wert legen. Längere Dokumentationen und Sachbücher, die mit Zeit und Sachverstand aufbereitet wurden, helfen, tief in eine Thematik einzutauchen.

Echter Gegenwind für dunkle Nachrichtenwolken sind zudem Medien, die sich dem konstruktiven und positiven Journalismus verschrieben haben. Ganz bewusst rücken sie motivierende Geschichten, inspirierende Menschen und innovative Lösungsansätze in den Vordergrund. Sie berichten beispielsweise über Projekte, die sich für nachhaltige Kreislaufwirtschaft einsetzen. So kann man zum Beispiel etwas darüber erfahren, wie Corona-Masken wiederverwertet werden, um Beton stabiler zu machen. Oder sie erzählen von neuen Verfahren, die Alzheimer lange im Voraus erkennen lassen.

Damit wollen sie Menschen an dem Guten dieser Welt teilhaben lassen und sie dazu zu motivieren, selbst aktiv in dieser Welt zu wirken. Mit solchen Angeboten kann man den eigenen Medienmix ausbalancieren.

Wir sind der Flut schlechter Nachrichten nicht hilflos ausgesetzt. Im Gegenteil, wir können wählen. Die Antwort auf eine immer schnellere und destruktivere Berichterstattung muss auch nicht der völlige Boykott sein. Stattdessen kann man selbst in die Hand nehmen, welche Meldungen man wählt. Man kann sich mit lehrreichen, bestärkenden und motivierenden News informieren. 


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 122: „Resilienz"

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Florian Vitello studierte Anthropologie, Lateinamerika-Wissenschaften und Journalismus. Nach seinem Studium war er als Digitalberater für Non-Profits in der internationalen Zusammenarbeit tätig und rief den gemeinnützigen Verein MediaMundo e. V. ins Leben. 2020 gründete er mit David Gaedt und Lucia Lehmann das „Good News Magazin“ und wurde Host von „Weltaufgang – der Good News Podcast“.

Paul Esser ist stellvertretender Chefredakteur des „Good News Magazin“.

Tipp: 

Florian Vitello, David Gaedt, Lucia Oiro, Good News, Komplett Media GmbH 2022

Bild Text und Teaser © Francesco Ciccolella

Bild Header © Unsplash

 

Kommentare  
# Lisa Müller 2024-04-23 08:48
Ein sehr wichtiger Artikel! Medienhygiene ist entscheidend für unsere psychische Gesundheit.
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# MArtin 2024-04-23 08:48
Wirklich interessanter Beitrag! Es ist unglaublich, wie viel Schlechtes uns täglich überflutet. Ich kann mir nicht helfen, aber es fühlt sich manchmal an, als würde man im Strom der Negativität ertrinken. Dabei vergessen wir oft, dass es auch Gutes gibt. Diese Erkenntnis, dass die Welt besser ist, als wir denken, ist sehr beruhigend. Ich denke, wir sollten uns öfter daran erinnern. Und ja, Medienhygiene ist definitiv wichtig. Qualität statt Quantität, das ist mein neues Motto!
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