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Leben

„ Buddha-Pädagogik “ ist ein vielleicht etwas provokanter Titel für ein Plädoyer, in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, aber auch in der Agogik* Grundlagen philosophisch-logischer Überlegungen in Verbindung mit Leitlinien der Lebensführung und spiritueller Praxis der Meditation und daraus herrührendem Erfahrungswissen systematisch einzubeziehen.

*Lehre über das professionelle Leiten und Begleiten von Menschen auch erwachsenen Alters

Die eine besondere „Geist“-Schulung berücksichtigende Pädagogik, also die hier gemeinte „ Buddha-Pädagogik “, baut daher auf der buddhistischen Praxis und Theorie der „Vier Edlen Wahrheiten“ auf. Sie ist deswegen keine Lehre des oder Erziehung zum Buddhismus, fußt aber auf dem persönlichkeitsbildenden Wissen, dass das Jagen nach und Hängen am Glück letztlich nur zu Leiden (etwa Frustration) führt (1. Edle Wahrheit), dass „Gier, Hass und Unwissenheit“ (Verblendung) leidverursachende „Geistesgifte“ sind (2. Edle Wahrheit), die leidigen Folgen aber vermieden und aufgehoben werden können (3. Edle Wahrheit) durch den „Achtfachen Pfad“ der rechten Erkenntnis (Anschauung), rechten Absicht (Gesinnung), rechten Rede, des rechten Handelns (Taten), rechten Lebenserwerbs, der rechten Übung (Anstrengung), rechten Achtsamkeit (Bewusstheit) und rechten Geistschulung (4. Edle Wahrheit).[i]

Ethisches Verhalten, die Kultivierung der Tugenden (die „Fünf Silas“), die Praxis der „Versenkung“ und die Entwicklung von Mitgefühl für alle Wesen sowie allumfassender Weisheit („Prajna“, d. h. Körper und Geist im Zustand des Gleichgewichts und Überwindung der Vorstellung der Trennung von Subjekt und Objekt) sind die „Buddha“-Methoden, Leid und Leiden zu vermeiden.[ii]

Die „sittliche“ Orientierung an sozialverträglichem Verhalten, friedvollem Geist und Handeln, Gewaltverzicht, an mitfühlender Nächsten-, Natur- und Tierliebe, Wertschätzung des Lebens und Moments sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Doch in der „Buddha“-Pädagogik wird sie aktiv und praktisch in den Vordergrund des Erziehungsprozesses und der Gestaltung des pädagogischen Alltags gerückt.

Buddha-Pädagogik

Hier nimmt auch die „Achtsamkeits“-Erziehung im weiteren Sinn eine besondere und insofern herausragende Stellung ein, was ihre speziellen Geistesübungen, ihre meditative Praxis, also konkret die pädagogische Lenkung auf die Techniken des bewussten Steuerns der Aufmerksamkeit (z. B. im Kontext bestimmter Rituale) betrifft. Insofern könnte diese „Zen“-Geist-fundierte Pädagogik, in der das zentrale Anliegen das Erleben des gegenwärtigen Augenblicks und des gegenwärtigen Bewusstseins ist, zudem gezielt bewusstes Sein und (Er-)Leben in den Mittelpunkt des erzieherischen Bemühens und Gestaltens rücken. Das fördert im bewertungslosen Gewahrsein des Seins und ganzen sinnlichen Erlebens und Aufgehens im Hier und Jetzt „Glück“ …

Ein solcher gleichermaßen im eigentlichen Sinne „sozialpädagogischer“ wie „Ich“-fördernder Ansatz nutzt in der Konzentration auf das Wesentliche bei aller Einfachheit oder Komplexität von eigens hergestellten Situationen (Ritualen, Routinen, Regeln, Rollen) jeweils gefordertes Tun und Nichttun als Übung.

Vor allem, was die spezifische Verbindung von Körper und Geist als ganzheitliche Methode der lehrreichen Initiierung erlebnisintensiver Bewegung, Begegnung und Besinnung anbelangt, muss man hier von der „Budo“-Pädagogik[iii] sprechen, die sich der originären japanischen Do- (Weg-) und Kampfkünste bedient [iv] und sich als persönlichkeitsschulende Praxis zwischen Erlebnispädagogik und Körperpsychotherapie[v] sowie „leiblichen Philosophierens[vi] im Geiste des Zen-Buddhismus begreift. Es geht um Selbsterforschung und Studieren des eigenen Seins in der Abhängigkeit vom Universum des Drumherums, der Mit-Welt, des „Du“ und „Wir“.

„Buddha“-Pädagogik meint und will, was Zen und Budo bereits als etablierte Lehren bzw. spezielle Lernwege inkludieren: die Ausrichtung pädagogisch wirksamer Prozesse auf wesentliche, authentische Erfahrungen und Erkenntnisse „am eigenen Leib“, durch intensives Tun oder Nichttun, (z. B. Budo- oder Zazen-Übung) und das systematische Herstellen solch bedeutsamer Bewusstseins- und Bewusstwerdungszustände durch (professionelles) Arrangement geeigneter Lernsituationen.

Ich übe mich, ich übe mit dir, wir üben uns in Achtsamkeit gemeinsamen Kreierens und Erlebens von Welt, in Interaktion, Kooperation, gegenseitigem Lehren und Lernen mit- und voneinander. Genau darum geht es im Trainieren von Budo-Techniken (z. B. Tai-Chi, Karate, Kungfu, Bogenschießen) oder entsprechenden Partnerübungen (Spiel oder Kampf) – und genau deswegen ist Budo-Pädagogik als eine besondere, primäre körper- und bewegungsbetonte Form der „Buddha-Pädagogik“ ein so wertvolles Instrument der (sozial-)erzieherischen Persönlichkeitsbildung.

Die typischen buddhistischen Werte (und Tugenden) sowie das achtsame (Selbst- und Fremd-)Erleben werden in dieser „Sonder“-Pädagogik zum Mittel, Weg und Ziel im Umgang mit ihren Adressaten, ohne eine esoterisch verbrämte Exotenstellung einzunehmen. Sie basiert auf erziehungswissenschaftlichen Standards der professionellen Rezeption östlicher (bewährter traditioneller) und westlicher (wissenschaftlich-moderner) Methoden. Yoga (als ganzheitliche Leib-Lehre), TCM, Zen-Meditation, japanische „Schöne Künste“, Kampfkunst gehören ebenso zu den Erkenntnis- und Übungsfeldern wie die aus der Sport- und Neuropsychologie, Körpertherapie oder dem Coaching und der Erwachsenenbildung. Immer aber geht es um Achtsamkeit und Wertschätzung und das Lernen über den und mit dem Körper und die Bewegung – als Leib, der man ist.[vii]

Natürlich braucht es eine qualifizierte und qualifizierende Ausbildung zum professionellen Budopädagogen, die vom eigenen Institut (IfBP) und Berufsverband (BvBP) regelmäßig angeboten wird.[viii] Es bedarf zur rechten Ausübung dieses Fachgebiets der Expertise – will es doch nicht eine Ideologie, sondern Lebensschule sein.


[i] Trainor, K. (Hrsg.): Buddhismus; Köln 2004.

[ii] Essler, W./Mamat, U.: Die Philosophie des Buddhismus. Wissenschaftliche Buchgesellschaft; 2005.

[iii] Wolters, J.-M. (Hrsg.): Budo-Pädagogik. Das erzieherische Wesen der Kampfkünste und budopädagogische Perspektiven; Norderstedt 2014.

[iv] Wolters, J.-M./Dorn, C. (Hrsg.): Budo – Wesen und Wirken der Kampfkunst; Norderstedt 2020.

[v] Wolters, J.-M.: Achtsamkeit – der psycho-spirituelle Fokus buddhistischer Körper(psycho)therapie; in: Focusing Journal – Zeitschrift für Kultur der Achtsamkeit in Psychotherapie, Beratung und Coaching, 47/2021, S. 13–17.

[vi] Wolters, J.-M.: Leibliches Philosophieren in: Ursache\Wirkung, 2023, online: https://www.ursachewirkung.com/leben/4825-leibliches-philosophieren.    

[vii] Graf Dürckheim, K.: Vom Leib, der man ist; in: Ders.: Erlebnis und Wandlung. Grundfragen der Selbstfindung; Frankfurt, 1978.

[viii] www.budopaedagogik.de und www.bvbp.org

März 2024

Dr. Jörg-M. Wolters

Dr. Jörg-M. Wolters

Erziehungswissenschaftler, Promotion im Fachbereich Soziale Therapie (1992), Sport-, Bewegungs- und Körper- Therapeut, viele Jahre Lehrbeauftragter der Sektion Sozialpädagogik & Jugendpsychiatrie der Universität Lüneburg sowie Pädagogisch-therapeutischer Leiter der Niedersächsischen Fachkl...
Kommentare  
# Sarah 2024-03-28 05:50
Spannender Artikel!
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# Dr. Grosch 2024-03-28 13:59
Super! Toll diese Themen mit einander so passend zu verbinden!
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# Wolters 2024-03-29 10:04
Freue mich auf regen Austausch
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# Sandra 2024-03-29 10:46
Hallo,

vielen Dank für diesen Interessanten Artikel. Ich würde davon gerne mehr lesen.

Liebe Grüße
Sandra
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# Wolters 2024-03-31 01:49
danke sehr. finde Austausch interessant !
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