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Frag die Dharma-Lehrenden

Ich leide seit meiner Kindheit an ADHS. Ich habe jede medikamentöse Behandlung versucht. Nichts hat wirklich geholfen.

Ich hatte auch immer stark unter den Nebenwirkungen der Medikamente zu leiden. Heute bekomme ich von meinem Arzt Cannabis verordnet. Das hilft mir endlich, und ich bin so froh. Auch deswegen, weil ich damit etwas Pflanzliches habe. Cannabis leistet mir auch gute Dienste beim Meditieren. Denn ohne komme ich überhaupt nicht zur Ruhe. Doch das hat mich in einen Gewissenskonflikt stolpern lassen. Es heißt doch, dass man keine Drogen nehmen soll. Ich bin schon etwas entmutigt. Denn ohne Cannabis bin ich kaum in der Lage, mein Leben zu führen. Andererseits möchte ich mich an den ethischen Rahmen halten, den der Buddhismus vorgibt.

Gert Frisch

 Cannabis

Lieber Gerd,

danke für deine Frage. Vermutlich haben viele Menschen eine ähnliche Frage. Das Grundanliegen des Buddha war, Leiden und dessen Ursache zu erkennen, es zu vermeiden beziehungsweise zu heilen. Am Anfang seiner Belehrungen stehen die Tugendrichtlinien. Diese gilt es, nicht blind zu befolgen, sondern deren Hintergründe zu verstehen. Buddha gab die Sila-Anleitungen zu unserem eigenen Schutz vor Verstrickung in der Welt sowie zum Schutz für die Welt vor unseren eigenen Unvollkommenheiten. Wir praktizieren also die Tugendrichtlinien, um in ersten Schritten leidhafte Zustände zu verkleinern oder zu vermeiden. Die Anleitungen sind gewiss nicht als Verbote und Einschränkung unserer Lebensfreude zu werten, sondern als Ausdruck von Fürsorge für uns selbst und die Welt. Speziell die Richtlinie, in der es heißt, dass Alkohol und Drogen vermieden werden sollen, wurden aus meinem Verständnis gegeben, um unser Bewusstsein nicht zu trüben und den Geist noch unklarer werden zu lassen, als er ohnehin schon ist. 

Auch hat Buddha die Einnahme von Medizin als Notwendigkeit für einen kranken Körper beschrieben. Wird diese Einnahme unterlassen, entsteht Schaden für den Körper. Du nimmst Cannabis als Medizin, um deine körperliche und seelische Situation zu erleichtern. Zudem hilft es dir, in der Meditation zur Ruhe zu kommen. Die Meditationspraxis ist ein essenzieller Bestandteil auf unserem Heilungs- und Entwicklungsweg. Somit sehe ich die Einnahme von Cannabis in deinem Fall als Ausdruck von mitfühlender Selbstfürsorge, also als angewandte, im Verständnis wurzelnde Praxis und nicht als Ignoranz oder Übertretung einer Richtlinie.

Bitte nimm bewusst deine Cannabis-Medizin. Spüre ebenfalls bewusst deren positive Wirkung und entfalte Dankbarkeit für die Möglichkeit, deinen eigenen Entwicklungsweg damit zu erleichtern. Somit bleibst du in allen Schritten dem Grundanliegen des Buddha treu.

Mit guten Wünschen für dich, 

Wilfried Reuter


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 120: „Lebendiger Buddhismus"

UW120


Dr. Wilfried Reuter ist spiritueller Leiter des Berliner Meditationszentrums „Lotos Vihara“ und Vorstandsvorsitzender der Anjali-Stiftung. Er arbeitete 35 Jahre als Frauenarzt mit Schwerpunkt Geburtshilfe und Sterbebegleitung sowie als Arzt im Notfalldienst.

Bild Teaser und Header © Pixabay

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